Ein eiskalt leuchtender Wintertag am Strand von Sylt. Möwen am Himmel, Spazierende in dicken Mänteln verlieren sich in der Weite. Um sie herum toben Kinder durch den weißen Schaum, den die Wellen auf den Sand spülen. Der Wind formt den Schaum zu Kugeln und treibt sie über den Sand. Die Kinder jagen hinterher, häufen Berge des Schaums an, oder sie kleben ihn sich als Bart ans Kinn.
Recherchen von Greenpeace zeigen nun, dass dieser Schaum die Gesundheit der Kinder gefährdet. Denn darin stecken große Mengen PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), sogenannte Ewigkeitschemikalien. Sie stehen laut der Europäischen Umweltagentur stark im Verdacht, Krebs, Leberschäden oder Störungen des Hormonsystems auszulösen.
Nur wenige Kilometer entfernt, an einem der dänischen Strände, wären die Eltern der spielenden Kinder möglicherweise gewarnt gewesen: In Dänemark wird Strandbesuchenden davon abgeraten, den Meeresschaum zu berühren. Kinder und Hunde sollten nicht damit spielen, wenn es doch zum Kontakt kommt, raten die Behörden zu einer baldigen Dusche. Auch in den Niederlanden und in Belgien wird an den Stränden die Belastung gemessen. In Deutschland hingegen gibt es keine behördlichen Messungen und nicht einmal Grenzwerte für PFAS in Badegewässern.

Um diese Lücke zu schließen, nahm das Team von Greenpeace im November 2024 und im Januar 2025 neun Stichproben an beliebten Stränden: Auf Norderney, auf Sylt, in Sankt Peter-Ording, Boltenhagen und Kühlungsborn. Es war die erste Untersuchung dieser Art an deutschen Stränden. Das Ergebnis: Die PFAS-Werte lagen in allen Proben enorm weit über dem dänischen Grenzwert für Badegewässer von 40 Nanogramm pro Liter (siehe Grafik).


PFAS sind eine Gruppe aus tausenden menschengemachten Chemikalien, die für die Industrie große Vorteile bieten: PFAS sind temperaturstabil, reagieren nicht mit anderen chemischen Substanzen und sind wasser-, schmutz- und ölabweisend. Daher werden sie seit Jahrzehnten in Produkten wie Outdoor- und Sportkleidung, Autositzen, Kaffeebechern, Antihaftpfannen, Kosmetika oder Pestiziden eingesetzt.
Was für die Industrie willkommen ist, ist für Natur und Mensch ein wachsendes Problem. Denn PFAS bauen sich nicht von alleine ab, daher der Name Ewigkeitschemikalien. Seit Jahrzehnten reichern sie sich in der Umwelt an. Und auch der menschliche Körper sammelt im Laufe eines Lebens immer mehr PFAS an.
Das Umweltbundesamt warnte bereits 2020, dass schon Kinder teils hohe PFAS-Werte aufweisen. In allen untersuchten Blutproben fanden sich damals die Chemikalien, in 21 Prozent war der sogenannte HBM-I-Grenzwert überschritten, was auf eine Exposition mit einer PFAS-Quelle hinweist.
Wir fordern die Bundesregierung auf, Menschen und die Umwelt vor Industrieschutz zu stellen und künftig den Einsatz von PFAS ohne Wenn und Aber zu verbieten.
Bundesregierung und Europäische Union regulieren den PFAS-Einsatz dennoch nur zögerlich. Zwar gibt es inzwischen für viele Einsatzzwecke PFAS-freie Alternativen, doch die Industrie hält an den Stoffen fest. Damit die PFAS-freien Alternativen verstärkt verwendet werden, braucht es strenge Gesetze. Einzig PFOS und PFOA, zwei besonders umwelt- und gesundheitsschädliche Substanzen aus der Gruppe der PFAS, sind inzwischen in vielen Anwendungen verboten: PFOS etwa darf in der EU seit 2009 nur noch begrenzt verwendet werden. In Deutschland ist die Produktion seit 2015 offiziell eingestellt. Trotzdem fand Greenpeace 2024 erhöhte PFOS-Konzentrationen im Rhein.

Frankreich ist bei der Regulierung kürzlich einen wichtigen Schritt gegangen: Im Februar verbot das Land PFAS in einigen gängigen Produkten wie Kosmetik, Skiwachs und Kleidung. Dänemark hat PFAS immerhin in Lebensmittelverpackungen wie etwa Pizzakartons und Einwegbechern verboten.
Doch das reicht nicht, wie die Untersuchungen von Greenpeace zeigen. Denn neben bekannten Quellen wie kontaminierten Lebensmitteln und Trinkwasser scheint der Kontakt mit dem Meeresschaum ein weiterer Weg zu sein, über den PFAS in den menschlichen Körper gelangen.
Greenpeace fordert auch in Deutschland konsequente Maßnahmen gegen PFAS und eine EU-weite starke Beschränkung der Chemikalien. „Wir fordern die Regierung auf, Menschen und Umwelt vor Industrieschutz zu stellen und künftig den Einsatz von PFAS ohne Wenn und Aber zu verbieten“, sagt Julios Kontchou, Ökotoxikologe von Greenpeace.