Nur Mut!

Zuversicht

Klimakrise, Kriege, Trump: Es gibt genug Probleme in der Welt. Doch viele Menschen lassen sich davon nicht entmutigen und erreichen Erstaunliches. Was sie gemeinsam haben: Zuversicht. Von der Kraft eines unterschätzten Prinzips

Das Jahr 2025 ist halb rum, Zeit also für eine kleine Bilanz: Es begann mit Dürre schon im Frühjahr, Deutschland bekam eine Bundesregierung, die über Klima- und Umweltschutz nicht einmal redet, in den USA regiert ein Präsident, der Kohle großartig findet, und immer noch sterben im Schnitt jeden Tag 140 Tier- und Pflanzenarten aus.

Düstere Zeiten, könnte man meinen. Zeiten für Zuversicht, meinen Menschen wie Claudia Danner. Nicht, weil sie glauben, alle Probleme auf einmal lösen zu können. Sondern weil sie spüren, dass es sich lohnt, für ihre Überzeugungen zu kämpfen. Weil die Dinge auch mal in die richtige Richtung laufen, wenn engagierte Menschen sich dafür einsetzen.

Aus anfänglichem Schulterzucken wurde im bayerischen Reichling schnell engagierter Widerstand gegen die Gasbohrungen.
Aus anfänglichem Schulterzucken wurde im bayerischen Reichling schnell engagierter Widerstand gegen die Gasbohrungen.

Als sich im vergangenen Jahr herumsprach, dass eine Firma in Claudia Danners Heimatdorf nach Erdgas bohren will, nahmen die meisten Einwohner:innen das achselzuckend hin. „Da kann man eh nix machen“, sei die vorherrschende Meinung gewesen, erzählt Danner. Eine verständliche Haltung, schließlich hielt der Bürgermeister die einzige Infoveranstaltung zum Thema gemeinsam mit der Gasfirma ab, und der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger hatte sich persönlich hinter das Projekt in Reichling nahe Landsberg am Lech gestellt. Claudia Danners erster Gedanke hingegen war: Das kann nicht sein. Noch heute klingt Empörung durch, wenn sie fragt: „Wie sollen wir den Umstieg auf die Erneuerbaren schaffen, wenn wir jetzt noch nach Gas bohren?“ Also sammelte sie Unterschriften, sprach mit den Menschen im Dorf, engagierte sich in der Bürgerinitiative, die von Greenpeace unterstützt wird. Natürlich sei die Arbeit auch mal frustrierend, erzählt Danner, etwa wenn Nachbar:innen nicht zur Demo kommen, weil sie eine Verabredung zum Tennis haben. „Aber ein kleiner Erfolg, ein Mitbürger, den ich überzeugen kann, und ich bin wieder motiviert.“

Ein kleiner Erfolg, ein Mitbürger, den ich überzeugen kann, und ich bin wieder motiviert.

Claudia Danner, Aktivistin gegen Gasbohrungen

Und mit der Zeit wurden die Erfolge mehr und größer. Das Engagement der Bohrungsgegner:innen steckte an, ihre Aufklärungsarbeit überzeugte. Anfang Mai demonstrierten 1200 Menschen gegen die Bohrung – in einer Gemeinde mit 1700 Einwohner:innen. Bundesweit findet das Thema inzwischen Beachtung. Und vor allem: Die Bohrung verzögerte sich. „Zweimal am Tag gehe ich mit meinem Hund spazieren und schaue runter zum Bohrplatz“, erzählt Danner. „Monatelang konnte ich mich freuen: Es tat sich nix da unten.“

Es gibt viele wie Claudia Danner. Menschen, die trotz all der schlechten Nachrichten nicht in Resignation verfallen, die sich engagieren und oft genug Erfolge feiern:

Claudia Danner und der Aktivist Michael Darchinger bei einer Protestkundgebung
Claudia Danner und der Aktivist Michael Darchinger bei einer Protestkundgebung

WER

sie sucht, der findet zahlreiche Beispiele für Fortschritt. Warum dann verfällt ein Teil der Bevölkerung in Resignation

Erfolg! Dank einer Klage der Klimaseniorinnen (im Bild Oda Müller) ist seit 2024 richterlich festgestellt: Klimaschutz ist für die Schweiz Staatspflicht.
Erfolg! Dank einer Klage der Klimaseniorinnen (im Bild Oda Müller) ist seit 2024 richterlich festgestellt: Klimaschutz ist für die Schweiz Staatspflicht.

Klimaseniorinnen

In der Schweiz taten sich vor bald zehn Jahren einige ältere Damen zusammen, die der Klimakrise nicht tatenlos zusehen wollten. Unterstützt wurden sie dabei von Greenpeace Schweiz. Inzwischen sind mehr als 3000 Frauen bei den „Klimaseniorinnen“. 2024 führte ihre Klage dazu, dass der Europäische Gerichtshof entschied: Klimaschutz ist für die Schweiz Staatspflicht.

Kleidertausch

Die niederländische Stadt Den Haag verbietet nach hartnäckigen Protesten – auch von Greenpeace – seit Anfang des Jahres Werbung für Produkte mit hohem CO2-Fußabdruck.

Werbeverbot

Die niederländische Stadt Den Haag verbietet nach hart­näckigen Protesten – auch von Greenpeace – seit Anfang des Jahres Werbung für Produkte mit hohem CO2-Fußabdruck.

Ende der Abholzung

Eine Flut von Protestmails infolge einer Greenpeace-Kampagne führte dazu, dass McDonald’s vor einigen Monaten ankündigte, von 2030 an keine Wälder in Australien mehr für Rinderweiden zu vernichten.

Es ließen sich Hunderte großer und kleiner Erfolgsmeldungen zusammentragen, die es nur gibt, weil Menschen sich mit einem Missstand nicht abfinden. Weil sie sich in Organisationen wie Greenpeace zusammenschließen. Weil sie wie Claudia Danner sagen: „Das kann nicht sein“ – und nicht: „Da kann man eh nix machen.“ Aber warum verfallen viele doch in Resignation?

Soziolog:innen beobachten schon länger, dass immer mehr Menschen sich ohnmächtig fühlen angesichts einer scheinbar endlosen Kette von Krisen: Finanzkrise, Corona, Kriege, Demokratie in Gefahr, Trump und über allem die Klima- und Umweltkrise. Probleme, die zu groß für eine einzelne Person scheinen. So entsteht Nachrichtenmüdigkeit, wie Forscher:innen es nennen: Lieber gar nicht mehr hinschauen, es ändert sich ja doch nichts.

Dabei gibt es bei allen Bedrohungen auch sie, die guten Nachrichten. Sie werden nur kaum wahrgenommen. Ein paar zufällige Beispiele:

Viele Erfolge beginnen mit dem Gedanken: „Das kann nicht sein!“ Wie bei dieser Aktivistin, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt.
Viele Erfolge beginnen mit dem Gedanken: „Das kann nicht sein!“ Wie bei dieser Aktivistin, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt.

58 %

der befragten Superreichen zeigten in einer Greenpeace-Studie Sympathien für eine Vermögenssteuer.

Weniger extreme Armut

Es ist schrecklich, dass laut Weltbank noch immer etwa 700 Millionen Menschen in extremer Armut leben. Doch waren es vor 30 Jahren noch fast zwei Milliarden Menschen. Es ist ein Durchschnittswert und grob vereinfacht – aber an jedem Tag in den vergangenen 30 Jahren hätte die Schlagzeile in der Zeitung lauten können: „Erfolg: Auch gestern sind wieder 120.000 Menschen extremer Armut entronnen!“

Siegeszug der Erneuerbaren

Pakistan erlebte in den vergangenen Jahren den schnellsten Photovoltaikausbau weltweit. Ohne Subventionen oder ein Regierungsprogramm installierten die Menschen Solarpanele – weil sie günstigen und verlässlichen Strom liefern. Der Boom der kleinen Balkonkraftwerke in Deutschland zeigt, dass sich die Erneuerbaren auch hierzulande noch schneller durchsetzen würden, wenn die fossilen Energiequellen nicht immer noch subventioniert würden. Uruguay hat seine Stromproduktion in wenigen Jahren fast vollständig auf Erneuerbare umgestellt. Und selbst in den USA, wo Präsident Trump viel tut, um Kohle und Öl zu fördern, ist der Siegeszug der Erneuerbaren unaufhaltsam.

Waldbestand nimmt zu

Costa Rica war Ende der Achtzigerjahre nur noch zu 21 Prozent bewaldet und litt unter einer der höchsten Abholzungsraten weltweit. Inzwischen besteht die Landesfläche wieder zu zwei Dritteln aus Wald.

Mehr Elektroautos

Im April 2025 wurde in Deutschland erstmals die Marke von einer Million privat zugelassener Elektroautos überschritten. In anderen Ländern geht es deutlich schneller: In China boomen E-Autos mit einem Marktanteil von 28 Prozent, in Norwegen fuhren zuletzt 97 Prozent rein elektrisch. Die äthiopische Regierung hat 2024 ein komplettes Einfuhrverbot für Verbrenner erlassen.

Gemeinsam protestieren kann etwas bewegen – und gibt das gute Gefühl: Ich bin nicht alleine!
Gemeinsam protestieren kann etwas bewegen – und gibt das gute Gefühl: Ich bin nicht alleine!

Vermögenssteuer

In einer Greenpeace-Umfrage unter deutschen Millionär:innen gaben 58 Prozent an, ein luxuriöser Lebensstil sei klimaschädlich und eine Vermögenssteuer könne zu mehr Gerechtigkeit führen. Eine Einsicht, die Veränderung ermöglicht.

Gute Nachrichten wie diese werden kaum wahrgenommen, und zum kollektiven Ausblenden kommt noch ein weiteres Phänomen. Psycholog:innen nennen es „pluralistische Ignoranz“. Darunter ist ein Zustand zu verstehen, in dem alle Mitglieder einer Gruppe eine Überzeugung teilen, aber fälschlicherweise glauben, alle anderen seien anderer Meinung. Auf den Umweltschutz bezogen: Die große Mehrheit befürwortet ihn und ist zu Verhaltensänderungen bereit. Zugleich nehmen die Menschen aber an, alle anderen seien dazu eben nicht bereit. Das führt dazu, dass viele entgegen ihrer Überzeugung wenig oder nichts für den Umweltschutz tun. Warum sollte man auf Flugreisen verzichten, wenn man annimmt, dass die Nachbar:innen nicht einmal daran denken, ihr Verhalten zu ändern? Oder auf globalem Maßstab: Warum sollten wir in Deutschland kleinere Autos fahren, wenn die Chinesen nichts für den Umweltschutz tun? Kaum etwas frustriert mehr, als die Vorstellung, man sei alleine in seinen Bemühungen ums Große Ganze.

Gegen diese kollektive Lähmung hilft vor allem Vernetzung. „Im kollektiven Erleben erfahren wir, dass wir nicht allein sind und dass viele andere ähnliche Überzeugungen haben wie wir, sagt die Umweltpsychologin Katharina van Bronswijk. In anderen Worten: Das Treffen in der Bürgerinitiative oder im Verein wirkt der pluralistischen Ignoranz entgegen. Ein Effekt, den auch Claudia Danner aus Reichling kennt: „Oft lese ich die Nachrichten und denke, alles geht zu Ende. Dann gehe ich auf eine Demo – und wenn da auch nur zehn Menschen sind, wirkt es wie eine Vitaminspritze.“

Zu erleben, dass wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen, ist unglaublich entlastend und motivierend.

Katharina van Bronswijk, Umweltpsychologin

Gemeinsam Stärke zeigen

Und dann ist da die gebündelte Kraft vieler engagierter Einzelpersonen, das klassische „Gemeinsam sind wir stark“. Diese Kraft lässt manche Probleme überschaubarer erscheinen. Ein Effekt, den Pia Hollenstein gut kennt, die seit Gründung der Schweizer Klimaseniorinnen dabei ist: „Viele von uns spürten Unverständnis und Hilflosigkeit angesichts der Untätigkeit der Schweiz beim Klimaschutz. Das Engagement bei den Klimaseniorinnen wirkte als echte Therapie gegen alle Ohnmachtsgefühle.“ Das Gegenteil davon nennen Psychologen „erlernte Hilflosigkeit“, eine Erfahrung, die zuverlässig in die Resignation führt.

Nichtstun war für Pia Hollenstein keine Option. Denn das hätte bedeutet, den Status Quo zu akzeptieren.
Nichtstun war für Pia Hollenstein keine Option. Denn das hätte bedeutet, den Status Quo zu akzeptieren.

Wesentlich mehr Menschen sagen jetzt: Es passiert so viel Mist in der Welt, jetzt müssen wir was tun!

Fabian Heinke, Greenpeace Deutschland

Auch in der Vergangenheit erwuchsen oft gerade in bleiern und düster wirkenden Zeiten neue progressive Bewegungen. Als Westdeutschland in Selbstzufriedenheit und Wirtschaftswunder erstarrte, formierten sich Teile der Jugend zur „außerparlamentarischen Opposition“ und bescherten dem Land einen Modernisierungsschub. Als zu Beginn der Achtzigerjahre der Kalte Krieg und die Umweltzerstörung Höhepunkte erreichten, wuchsen Greenpeace und andere Umweltverbände zu gesellschaftlichen Kräften. Vielleicht beginnt jetzt wieder eine Zeit, in der der von vielen als selbstverständlich empfundene Fortschritt – hin zu mehr Liberalismus, mehr Miteinander und mehr Umweltschutz – zum Stehen kommt oder gar zurückgedreht wird. Vielleicht sind es Zeiten, in denen wir es uns weniger denn je leisten können, uns zurückzulehnen. Pia Hollenstein von den Klimaseniorinnen drückt es so aus: „Gerade die Unzufriedenheit hat mir den Kick gegeben. Denn Nichtstun heißt Jasagen zum Status Quo.

Dass etwas in Bewegung gerät, beobachtet Fabian Heinke – und der muss es wissen. Seit acht Jahren steht er für Greenpeace Tag für Tag auf den Straßen Kölns, um Menschen für den Umweltschutz zu gewinnen. „Wesentlich mehr Menschen sagen jetzt: Es passiert so viel Mist in der Welt, jetzt müssen wir was tun!“, erzählt Heinke. Er spüre eine neue Energie, ganz besonders bei der Jugend. „Bei vielen herrscht echter Kampfgeist. Die sagen: Jetzt erst recht!“

Bestes Gegengift bei Ohnmachtsgefühlen angesichts der Probleme in der Welt: Engagement bei einer Organisation wie Greenpeace.
Bestes Gegengift bei Ohnmachtsgefühlen angesichts der Probleme in der Welt: Engagement bei einer Organisation wie Greenpeace.