„Ist es verrückt, Zuversicht zu haben? Nein, es ist notwendig!“
Katharina van Bronswijk ist Psychologin, Rednerin und Autorin (zum Beispiel Klima im Kopf – Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit unseren Emotionen macht). Seit vielen Jahren ist sie auch bei Greenpeace aktiv. Im Interview erklärt sie, warum Zuversicht überlebenswichtig ist, Mülltrennen nicht die Welt retten wird und warum resignierte Menschen unser Mitgefühl verdienen.
Wofür brauchen wir überhaupt Zuversicht?
Zuversicht beinhaltet die Überzeugung, etwas bewirken zu können. Die brauchen wir unbedingt, um aktiv zu werden. Das Gegenteil wäre die Überzeugung, nichts ausrichten zu können. Das nennen wir „erlernte Hilflosigkeit“ – und die macht depressiv. Zuversicht ist also ein wichtiger Antrieb.
Angesichts all der Probleme und schlechten Nachrichten fällt es vielen schwer, Zuversicht aufzubringen.
Dabei ist doch schon eine ganze Menge vorangegangen! Aber die guten Nachrichten kennen viele gar nicht, die laufen eben nicht in der Tagesschau. Gucken Sie sich nur die rasend schnelle Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen in China an! Anstatt die als Ansporn zu sehen, höre ich hier in Deutschland immer noch oft: Wir können nichts erreichen, solange China sich nicht bewegt. Unsinn!

Katharina van Bronswijk beschäftigt sich nicht nur mit dem Klimawandel oder welchen Einfluss die ökologische Krise auf Menschen hat, sie ist auch seit vielen Jahren bei Greenpeace aktiv.
Das mag sein, aber dass es bedrohliche Entwicklungen gibt, ist doch unbestreitbar.
Klar. Wenn wir auf die Wissenschaft hören, sind die Fortschritte immer noch viel zu langsam. Aber ist es deswegen verrückt, Zuversicht zu haben? Nein, es ist notwendig! Wie ich eben sagte: Ohne Zuversicht verfallen Menschen in Resignation und Verdrängung. Das ist ein menschlicher Reflex: Erscheint ein Problem übermächtig, versuchen wir, Kontrolle zu zurückzuerlangen, indem wir das Problem ausblenden. Das wäre aber das Schlimmste, was wir angesichts der Klimakrise tun könnten.
Zuversicht als Mittel zum Zweck also?
Ja, wir brauchen die Zuversicht als Gegengift gegen die Ohnmacht. Übrigens ist Zuversicht etwas anderes als passive Hoffnung, also das Vertrauen darauf, dass es schon irgendwie gut werden wird. Zuversicht ist der aktivierende Glaube, dass wir selbst etwas erreichen können.
Wie kommen wir gegen Ohnmachtsgefühle an, die uns alle Zuversicht austreiben können?
Gegen Ohnmacht hilft das Erleben von Wirksamkeit, vor allem im Kollektiv. Es reicht ein kleines Erfolgserlebnis, um einen positiven Kreislauf in Gang zu setzen: Erfolg führt zur Zuversicht, den nächsten größeren Schritt wagen zu können, dieser führt bestenfalls wieder zu Erfolg und immer so weiter. So wächst unsere Selbstwirksamkeitserwartung.

Hier bitte eine BU
Also soll ich erstmal den Müll ordentlich trennen, um mich für Größeres zu motivieren?
Müll trennen ist wichtig. Aber damit sollten Sie sich auf keinen Fall begnügen. Die Forschung zeigt, dass dieses Klein-Klein im persönlichen Leben auf Dauer eben nicht motiviert: Denn es ist anstrengend, sich immer richtig zu verhalten, also den Müll zu trennen, Plastik zu vermeiden, saisonale Produkte einzukaufen und so weiter. Zugleich merkt man, dass man die Welt so nicht retten wird. Und dann sieht man, dass der Nachbar doch schon wieder Fleisch grillt oder mit dem SUV durch die Stadt fährt. Das verbittert, das macht wütend, das führt zu wenig hilfreichen Schulddebatten. Verstehen Sie mich nicht falsch – vegetarische Ernährung und Fahrradfahren sind toll und wichtig. Nur sind das nicht unbedingt die Maßnahmen, die uns aus unseren Ohnmachtsgefühlen holen.
Was empfehlen Sie stattdessen?
Versuchen Sie, Wirksamkeit im Kollektiv zu erfahren. Schließen Sie sich mit Gleichgesinnten zusammen, zum Beispiel in einer Organisation wie Greenpeace. In solchen Gruppen erleben wir, das wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen und unseren Werten. Diese Erfahrung ist unglaublich entlastend und motivierend. Zudem hat so eine Gruppe, vor allem mit einer großen Organisation im Rücken, in der Regel ganz andere Möglichkeiten, etwas zu erreichen als eine Einzelperson.
Zum Schluss bitte noch ein Tipp. Was entgegnen wir Menschen, die unserem Engagement entgegenhalten, es sei doch ohnehin zu spät, um noch etwas zu retten?
Das ist genau die weit verbreitete resignierte Haltung, die ich eben beschrieben habe: Resignation entlastet uns scheinbar, weil sie uns von der Erwartung an uns selbst befreit, etwas zur Besserung beizutragen. Dem sollte man mit Mitgefühl begegnen: Resignation zeigt die Überforderung mit globalen Krisen und den Wunsch nach Entlastung, das finde ich sehr nachvollziehbar. Aber die Aussage, es sei zu spät, ist einfach faktisch falsch. Jedes Zehntel Grad Erderhitzung, das wir der Erde ersparen, ist ein Gewinn. Jeder Beitrag hilft und motiviert andere, sich ebenfalls zu engagieren.