Baby-Trump sitzt schreiend auf der Weltkugel, trotzig zerreißt er den Pariser Klimavertrag, aus der Windel fließt Öl und ergießt sich über die Welt. Die sieben Meter hohe Karnevalsfigur des Bildhauers Jaques Tilly überzieht satirisch die politische Situation. Greenpeacer haben sie auf einem Ponton in der Nähe des echten US-Präsidenten positioniert. Mit diesem kreativen und friedlichen Protest wollen sie den Fokus auf den Klima-Außenseiter lenken, der auch von den anderen G20-Staatschefs in seinem Bestreben nicht unterstützt wird.
Die friedlichen Aktionsbilder von Greenpeace und anderen Protesten sind leider nicht die einzigen, die vom Hamburger G20-Gipfel in Erinnerung bleiben: Die Titelseiten beherrschen vermummte Gewalttäter, die Straßenzüge verwüsteten und sich Kämpfe mit der Polizei lieferten. Dabei sollten all die kreativen Proteste von vielen Organisationen im Mittelpunkt stehen, die eine andere, bessere Politik fordern. Für alle Greenpeacer ist klar: Nur friedlicher Protest ist glaubwürdig. „Gewalt kann und darf nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein“, sagt Tobias Münchmeyer, Leiter der Greenpeace G20-Kampagne „Planet Earth First“.
Es war eine Kampagne mit außergewöhnlich hohem Aufwand
Stattdessen braucht es vor allem valide Inhalte. Münchmeyer und sein 15-köpfiges Team hatten deshalb in den Monaten vor dem G20-Gipfel viel Zeit investiert: Experten erstellen einen Plan zum Kohleausstieg, errechnen den Kostenvorteil der Erneuerbaren Energien und schreiben eine Studie über den Zusammenhang von Klimawandel, Migration und Vertreibung. Das Team berichtet in Interviews und Diskussionsforen von nationalen und internationalen Greenpeace-Forderungen, arbeitet hinter den Kulissen, spricht dabei mit den Experten der Regierungen, immer wieder, um das Thema Klimaschutz beim G20-Treffen stark zu machen. „Es war eine Kampagne mit außergewöhnlich hohem Aufwand“, sagt Tobias Münchmeyer rückblickend. „Aber der Klimaschutz befindet sich in einer kritischen Phase, und der G20-Gipfel hat uns die Möglichkeit geboten, zu formulieren, was nötig ist. Viele Male.“
Hinter dem Kampagnen-Slogan „Planet Earth First“ verbirgt sich daher nicht nur eine Anspielung auf die „America First“-Politik Donald Trumps, der vor dem Gipfel das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hatte. Er unterstreicht auch die Forderung von Greenpeace an die führenden Wirtschaftsnationen: den Kohleausstieg beschleunigen, um den Klimawandel zu bremsen. Denn die Länder, deren Regierungschefs in Hamburg zu Gast waren, sind für 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
In Italien, wo Ende Mai der G7-Gipfel stattfindet, wird der Botschaft der Kampagne zum ersten Mal Nachdruck verliehen: Als der US-Präsident Papst Franziskus in Rom besucht, projizieren italienische Greenpeace-Aktivisten den Slogan „Planet Earth First“ mit Laserstrahlen an den Petersdom. Und Greenpeace steht schon bereit als Bundeskanzlerin Angela Merkel drei Wochen vor dem eigentlichen Gipfel zum Civil20, einem internationalen Treffen zivilgesellschaftlicher Organisationen, nach Hamburg kommt. Fast die gesamte Hamburger Greenpeace-Belegschaft protestiert auf einem Boot in Merkels Sichtweite gegen die deutsche Kohlepolitik. Ein paar Tage zuvor schon leuchtete das Klima-Herz – das Kampagnenlogo – auf dem Backsteinsockel der Elbphilharmonie, während der Pianist Michael Abramovich auf einem Ponton Chopin spielte.
Im Hamburger Hafen gehen Aktivisten die Verursacher des Klimawandels dann knapp eine Woche vor Gipfelbeginn direkt an: An einem nasskalten Sonntagmorgen protestieren rund 100 Greenpeacer aus vielen Ländern gegen einen Kohlefrachter und malen trotz hoher Wellen auf der Elbe zwei Meter hohe Buchstaben auf die Bordwand: „End Coal“ – Beendet das Kohlezeitalter. Es ist ein eindrückliches Bild der TV-Nachrichten an diesem Abend.
So wird auch die von Greenpeace mitinitiierte „Protestwelle“ am 2. Juli ein Erfolg. Zehntausende Menschen demonstrieren in Hamburg – über ihnen schwebt ein großer Greenpeace-Ballon, eine blau-weiße Weltkugel. Die Aufschrift: „Planet Earth First“. Nicht „gegen G20“ lautet bei der Demo die Devise, sondern „für eine andere Politik“: für einen fairen Welthandel, für soziale Gerechtigkeit, für Menschen und Umwelt, für die Stärkung der Demokratie und für die Rettung des Weltklimas. Doch angesichts der Brutalität der Randalierer verlässt das Team um Tobias Münchmeyer am Tag nach dem Gipfel den Kampagnenraum mit gemischten Gefühlen: Begeistert sind sie von den kreativen Aktionen der vielen Engagierten, enttäuscht von der Gewalt einer Minderheit. Doch schon in wenigen Wochen wird es weitergehen – friedlich natürlich: Im September stehen die Bundestagswahlen an. Der Klimaschutz verträgt keine Pause.