Bielefeld ist ein gutes Pflaster für Neuerungen: Vor 37 Jahren gründeten Umweltschutzpioniere dort Greenpeace Deutschland. Nun setzen die Ostwestfalen wieder Akzente: Die traditionsreiche Gruppe will die Idee der „Gemeinwohlökonomie“ voranbringen, kurz GWÖ – ein Wirtschaftskonzept, bei dem nicht der Profit, sondern der Nutzen für die Allgemeinheit im Vordergrund steht.
„600 Leute kamen, das hat uns umgehauen.“
Der Startschuss fiel vor zwei Jahren. Zu ihrem 35. Geburtstag mieteten die Bielefelder einen großen Saal an und luden Christian Felber, den österreichischen Begründer der Gemeinwohlökonomie, zu einem Vortrag ein. „Wir waren alle sehr aufgeregt“, erinnert sich die Lehrerin Jeannette Kassing-Koch. Doch das Thema zog wie erhofft: „600 Leute kamen, das hat uns umgehauen.“
Die Beweggründe erklärt Jan Spatzl, IT-Spezialist. „Klar feiert Greenpeace Erfolge“, sagt er. „Trotzdem erhöht sich der Druck auf unsere Lebensgrundlagen immer weiter.“ Deshalb sei es an der Zeit, nicht nur Symptome, sondern Ursachen zu bekämpfen – und vieles kranke nun mal am Wirtschaftssystem. Also machte sich die Truppe, in der sich Studenten genauso engagieren wie Rentner, auf die Suche nach ethischen Alternativen und stieß auf die junge GWÖ-Bewegung.
„Wir suchen jetzt dringend Pionierunternehmern, die mitziehen“
Eigentlich ist das Prinzip ganz einfach“, erklärt Jeannettes Mann Oliver Koch: „Umwelt- und sozialschädliches Verhalten wird bestraft“, sagt der Psychiater. „Wer dagegen nachhaltig und fair produziert, erhält steuerliche Vergünstigungen.“
Beim Grillen, bei Radausflügen oder Infoveranstaltungen diskutieren die Bielefelder Ehrenamtlichen über das Konzept, das die Wirtschaft vom Kopf wieder auf die Füße stellen soll. Und sie tun alles, um es bekannter zu machen – in Firmen, in Schulen, auf dem Kirchentag und in der Lokalpolitik. „Wir suchen jetzt dringend Pionierunternehmern, die mitziehen“, sagt Oliver.
Zum Vorteil beider Bewegungen: Apple für grünen Strom zu loben, ohne die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Zulieferer zu thematisieren, sei ein Unding, sagt Jan. Gleichzeitig lernt die GWÖ-Bewegung von den Aktivisten, wie Ökologie geht: „Als ein Flyer gedruckt werden sollte, hat keiner außer uns nach der Art des Papiers gefragt“, erzählt Jeannette. So gut ergänzen sich Ökologie und GWÖ.