Bild oben: Vor ihrem Einstieg im Juni 2024 bei Greenpeace studierte Baro Vicenta Ra Gabbert, 27, Jura und engagierte sich bei Fridays For Future
Liebe Baro, du bist seit Sommer 2024 bei Greenpeace an Bord. Was ist deine Aufgabe?
Mit dieser neu geschaffenen Schnittstelle, angesiedelt beim Vorstand, macht Greenpeace klar, dass die sozial-ökologische Gerechtigkeit in den Fokus unserer Arbeit rückt. Das Thema soll in allen Greenpeace-Kampagnen mitgedacht werden. Und wir wollen erreichen, dass es in die Gesellschaft ausstrahlt. Dafür brauchen wir gut aufgestellte Netzwerke. Das ist für uns alle eine große kommunikative und inhaltliche Herausforderung.
Im Herbst hat Greenpeace gemeinsam mit Germanwatch die Zukunftsklage gegen die deutsche Bundesregierung eingereicht …
… zusammen mit mehr als 54.000 Mitkläger:innen! Das ist eine unglaubliche Zahl. Dieses Engagement macht deutlich, wie wichtig Klimaschutz vielen Menschen ist und dass sie auch bereit sind, dafür etwas zu tun, wenn man ihnen konkrete Möglichkeiten des Mitmachens bietet. Bundestag und -regierung sitzen nun „auf der Anklagebank“, da sie sehenden Auges Gefahr laufen, durch verschleppten Klimaschutz Grundrechte zu verletzen.
Bisher scheitert die Politik ganz offensichtlich. Liegt es nun an der Justiz, besseren Klimaschutz durchzusetzen?
Es ist nicht an den Gerichten, einzelne Klimaschutzmaßnahmen vorzuschreiben, das ist und bleibt Sache der Politik. Aber Gerichte können Grenzen aufzeigen, indem sie zum Beispiel entscheiden, welche Gesetze verfassungswidrig sind und wo nachgesteuert werden muss. Ganz konkret hoffen wir, mit unserer Zukunftsklage ambitioniertere Klimaschutzziele und die Verpflichtung der Politik zu sozial-gerechten Klimaschutzmaßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht zu erwirken.
Wir alle wissen, dass die Zeit drängt. Beispielsweise Überflutungen werden sich auch hierzulande häufen.
Genau deswegen brauchen wir dringend eine sozial-ökologische Transformation. Wie wir leben und wirtschaften, müssen wir an den planetaren Grenzen ausrichten. Nachhaltigkeit muss unsere oberste Priorität sein, denn wir können und dürfen nicht auf Kosten von morgen leben.
An welchen Stellschrauben kann Greenpeace konkret drehen?
Wir reden ja schon lange in unseren Kampagnen von „Wenden“ – also von der Verkehrswende, der Waldwende, der Agrarwende, der Energiewende. Damit meinen wir: In all diesen Bereichen müssen wir die bisherigen Regeln daraufhin überprüfen, ob sie klimaschädlich oder nachhaltig sind, und, wo nötig, umdenken. Alles muss auf den Prüfstand! Wir brauchen Nachhaltigkeitskriterien für Bau- und Straßenbauprojekte, Städte müssen an die neuen Klimabedingungen angepasst, der öffentliche Nah- sowie der Rad- und Fußverkehr gestärkt und unser Ressourcenverbrauch kritisch hinterfragt werden. Vor allem sollten wir die Vorteile solcher Veränderungen viel mehr betonen. Unabhängig davon, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land lebt und wie groß der Geldbeutel ist, würden wir mit klugen, nachhaltigen Wenden alle gewinnen: Autonomie, Teilhabe, Freiheit, Gesundheit, bessere Luftqualität. Und Kinder könnten ungefährdet spielen.
Warum passiert dieser Wandel denn nicht oder nur in vereinzelten Nischen?
Es gibt große Beharrungskräfte, etwa die Lobby der fossilen Industrie, die mit ihren zerstörerischen Geschäftsmodellen noch ein paar Jahre weiter Profite einfahren will. Es fehlen aber auch mutige, visionäre Politiker:innen, die bereit sind, notwendige Veränderungsprozesse einzuläuten. Vielen Menschen machen Veränderungen Angst. Die sich verschärfende Klima- und Naturkrise sollte uns allen aber die größeren Sorgen machen. Deshalb brauchen wir eine politische und gesellschaftliche Debatte darüber, wie der Wandel gelingen kann.
Milliardäre besteuern, klima retten!
Megayacht, Privatjet und unzählige Luxusvillen – was für die meisten von uns unvorstellbar ist, gehört für viele Superreiche zum Alltag. Doch nicht nur ihr Lebensstil sorgt für exorbitant hohe Treibhausgasemissionen. Vor allem mit ihren klimaschädlichen Investitionen und Unternehmensbeteiligungen heizen sie die Klimakrise extrem an. Gleichzeitig zahlen sie deutlich geringere Steuersätze als der Mittelstand. Eine moderate Milliardärssteuer von zwei Prozent könnte dem Staat jährlich rund 25 Milliarden Euro einbringen und Superreiche verursachergerecht in die Verantwortung nehmen. Damit könnten beispielsweise der Bus- und Bahnverkehr modernisiert, bezahlbare Tickets ermöglicht, Schulen saniert sowie Heizungen und Strom schneller auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das entlastet die Breite der Gesellschaft bei Lebenshaltungskosten, stärkt Klimaschutz und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze. Appellieren Sie mit der Protestpostkarte in der Heftmitte an die CDU, die steuerliche Bevorzugung von Superreichen zu beenden und eine Milliardärssteuer einzuführen.
act.gp/3D6t5Gs
Welche Lösungen sieht Greenpeace?
Wir müssen an allen möglichen Stellschrauben drehen und neue Regeln aufstellen. Ein Beispiel: Das Klimageld wäre eine tolle Motivation und Anerkennung für klimafreundliches Verhalten und würde zudem einen gerechten Ausgleich zu den Kosten des Wandels bieten. Nur leider warten wir immer noch darauf. Ein anderes Beispiel: Es darf einfach nicht sein, dass ein Flug nach Mallorca günstiger ist als eine Zugfahrt in den Schwarzwald. Fossile Subventionen müssen konsequent abgebaut werden. Zudem halten wir eine Milliardärssteuer für geboten, denn der sozial-ökologische Umbau braucht große Investitionen. Von der Frage, wer für die finanziellen Folgen der Krise aufkommt, ganz zu schweigen. Aktuell tragen nicht die Verursacher:innen, sondern die Allgemeinheit diese Kosten: Allein die Überschwemmungen im Ahrtal und an der Erft verursachten Schäden von mehr als 40 Milliarden Euro.
Wie blickst du persönlich in die Zukunft?
Ich vertraue auf die vielen Menschen, die verstanden haben, dass uns ein ‚Weiter so‘ direkt in die Katastrophe führt. Auf unsere Zukunftsklage hin haben wir unglaublich viele mutmachende Zuschriften bekommen. Das ist sehr motivierend und bestätigt uns, dass wir das Richtige tun.