Seit Putins Angriffskriegs in der Ukraine exportiert Russland Öl auf dem Seeweg. Auf der Ostsee herrscht Hochbetrieb: Inzwischen passieren jährlich rund 1000 veraltete Tanker die Ostsee – darunter auch Naturschutzgebiete wie die Kadetrinne oder den Fehmarnbelt. Die Ergebnisse einer Datenrecherche von Greenpeace dazu sind alarmierend: Die Tanker sind alt, marode, haben technische Probleme und schalten zeitweise ihr automatisches Identifizierungssystem ab. Die Crews pumpen auf See die Ladung auf andere Schiffe, ein besonders riskantes Manöver mit dem Ziel, die Herkunft der Ladung zu verschleiern. Zudem sind die Tanker für den Fall einer Havarie nur unzureichend versichert. Das heißt: Für die Beseitigung von Schäden einer Ölkatastrophe müssten die Steuerzahlenden aufkommen.
Das Greenpeace-Investigativteam hat die Schiffsbewegungen von den russischen Ostseehäfen Primorsk, Sankt Petersburg, Wyssozk und Ust-Luga wochenlang beobachtet, Datenbanken durchsucht, Schiffe identifiziert und so die sogenannte russische Schattenflotte entlarvt. „Bei einer Havarie etwa im Naturschutzgebiet der engen und viel befahrenen Kadetrinne nordöstlich der Mecklenburger Bucht wäre die gesamte deutsche Ostseeküste von einer Ölpest betroffen“, sagt Thilo Maack, Greenpeace-Meeresbiologe.
Immer wieder kommt es auf der Ostsee zu Unfällen. Im März 2024 kollidierte ein russischer Rohöltanker vor der dänischen Küste mit einer Personenfähre – zum Glück ohne schwerwiegende Folgen.
Um das Ausmaß einer möglichen Ölkatastrophe greifbar zu machen, setzten Greenpeace-Aktive mit Peilsendern bestückte Bojen entlang der russischen Tankerrouten aus. Zwei Bojen trieben binnen kurzer Zeit an Warnemünde vorbei und weiter zur Insel Fehmarn. Eine von ihnen erreichte nach ein paar Tagen die schleswig-holsteinische Küste bei Damp. Die Unfallsimulation zeigte: Käme es durch einen Tanker der russischen Schattenflotte zu einer Ölkatastrophe, wären weitreichende Gebiete betroffen, darunter zahlreiche Natur- und Vogelschutzgebiete an beliebten deutschen Ostseestränden.
Gegen diese umweltgefährdenden russischen Ölexporte protestierten Greenpeace-Aktive Ende September vor Rostock. Auf Schlauchbooten demonstrierten sie mit dem Banner „Oil kills“ gegen die vorbeifahrende „Seagull“, ein 250 Meter langer Tanker, der unter der Flagge der Cook Islands auf dem Weg nach Indien war. Einen Monat später veröffentlichte Greenpeace eine Liste der 192 gefährlichsten Schiffe der Schattenflotte. „Diese Schrotttanker gehören sofort auf die EU-Sanktionsliste“, fordert Thilo Maack. Sobald Schiffe auf einer Sanktionsliste stehen, kann ihre Ladung nicht mehr gegen US-Dollar verkauft werden, und sie scheiden aus dem Ölexport aus. Zudem dürfen sanktionierte Tanker keine europäischen Häfen mehr anfahren oder von europäischen Häfen ausgerüstet werden. „Die Bundesregierung muss schnell handeln und eine drohende Katastrophe verhindern“, sagt der Meeresbiologe. Greenpeace fordert eine Lotsenpflicht für unfallträchtige Gebiete wie die Kadetrinne, ausreichenden Versicherungsschutz der Tanker und Belege für ihre Seetauglichkeit. act.gp/49s3Ji1