Der Schatz im Dschungel

Klima

Das Kongobecken ist eine der artenreichsten Regionen der Erde und beherbergt das weltweit größte tropische Torfmoor. Eine von Greenpeace initiierte Expedition belegt, dass dieser riesige Kohlenstoffspeicher, der zudem Lebensraum der Gorillas ist, unbedingt geschützt werden muss – mehr denn je

Naturschätze

Im Kongobecken erstreckt sich der zweitgrößte tropische Regenwald der Erde, ein ausgeklügeltes, enorm artenreiches Ökosystem. Das erst kürzlich entdeckte riesige Torfmoor (grün in der Karte eingezeichnet) ist als Kohlenstoffspeicher für das globale Klima von größter Bedeutung – und ein weiterer triftiger Grund für den Erhalt dieses einzigartigen Refugiums. 

Es ist wie eine Fahrt ins Nirgendwo. Drei Stunden lang ächzen acht Geländewagen über eine schlammige Buckelpiste, tief hinein in den dichten Tropenwald im Westen der Demokratischen Republik Kongo. Am Fenster ruckelt die Heimat von zahlreichen bedrohten Tierarten wie Flachlandgorillas und Waldelefanten vorbei. Nur selten verirren sich Fremde in diese Gegend. Die Menschen sind bitterarm, die Wälder größtenteils unberührt. Noch.

Greenpeace-Waldexperte Jannes Stoppel begleitet Forscher und Journalisten auf die Reise in dieses entlegene Gebiet.
Greenpeace-Waldexperte Jannes Stoppel begleitet Forscher und Journalisten auf die Reise in dieses entlegene Gebiet.

Der Konvoi von Wissenschaftlern, Journalisten und Greenpeacern biegt ab und hält auf einem staubigen Dorfplatz. Rund 15 Hütten aus Bambusstangen, Lehmziegeln und Palmdächern formen die Siedlung, daneben wachsen Maniok und Ölpalmen – die Lebensgrundlage der hier lebenden Menschen. Rhythmisches Trommeln schallt über den Platz, mit Tänzen begrüßen die Dorfbewohner die Gäste. Die haben schweres Equipment im Gepäck.

Zelte, Wasserkanister, Kameras – und einen langen Bohrer. Mit dem sollen tief im Dschungel Bodenproben genommen werden. Denn dort liegt ein ganz besonderer Schatz: ein ausgedehntes Torfmoor.

Mit Tänzen begrüßen die Dorfbewohner die Gäste.
Mit Tänzen begrüßen die Dorfbewohner die Gäste.
Die Nächte verbringen die Greenpeacer und Journalisten in Zelten. Richtig ausgeschlafen ist keiner: Die Luftfeuchtigkeit ist drückend, und die Sonne knallt ab vier Uhr morgens auf die Zeltdächer.
Die Nächte verbringen die Greenpeacer und Journalisten in Zelten. Richtig ausgeschlafen ist keiner: Die Luftfeuchtigkeit ist drückend, und die Sonne knallt ab vier Uhr morgens auf die Zeltdächer.

Bereits vor fünf Jahren stießen die britischen Forscher Simon Lewis und Greta Dargie wenige Hundert Kilometer entfernt auf dieses wohl größte Torfmoor der Welt entlang des Flusses Kongo. 145.000 Quadratkilometer bedeckt es, mehr als die Fläche Griechenlands, und speichert enorme Mengen Kohlenstoff – nach ersten Berechnungen rund 30 Milliarden Tonnen. Das entspricht der Menge an anthropogenen CO2-Emissionen, die weltweit in drei Jahren durch die Verbrennung von Öl, Kohle und Erdgas freigesetzt wird. Würde die Fläche durch Abholzung und Trockenlegung zerstört, würde der gespeicherte Kohlenstoff als CO2 entweichen – eine Katastrophe für das globale Klima.

Unsere bedrohten Verwandten: Die Zerstörung ihrer Lebensräume und Wilderei haben die Gorillas an den Rand des Aussterbens gebracht. Alle vier Unterarten (Cross-River-Gorilla, Westlicher Flachlandgorilla, Östlicher Flachlandgorilla und Berggorilla) stehen auf der Roten Liste, von zweien gibt es nur noch wenige Hundert Tiere. Unser Foto zeigt einen Westlichen Flachlandgorilla. Von dieser Unterart gibt es die meisten Tiere, doch auch ihre Bestände schrumpfen stark. Wild lebende Menschenaffen könnten in wenigen Genera­tionen ganz verschwinden, wenn keine strengen Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Überraschender Fund

Nun wollen die Forscher Lewis und Dargie mit der logistischen Unterstützung von Greenpeace in der Demokratischen Republik Kongo untersuchen, ob und wie tief sich das Moor bis hierhin erstreckt. Auch Jannes Stoppel, Greenpeace-Waldexperte, hat den beschwerlichen Weg ins Kongobecken gewagt. „Noch ist das Moor relativ intakt“, sagt er, „umso wichtiger ist es, dass wir es schnell schützen!“.

Am nächsten Tag machen sich die Wissenschaftler auf den Weg. Eine Stunde balancieren sie von einem trockenen Fleck zum nächsten, rutschen immer wieder knietief ins Wasser. Am Zielort brauchen sie weitere vier Stunden, um die Moorschicht komplett zu durchbohren. Fünf Personen hängen sich abwechselnd an den Bohrstab und treiben ihn in die Tiefe, echte Knochenarbeit.

Der Weg durchs Moor bis zur Bohrstelle ist beschwerlich. Lianen geben den Expeditionsteilnehmern Halt.
Der Weg durchs Moor bis zur Bohrstelle ist beschwerlich. Lianen geben den Expeditionsteilnehmern Halt.
Stundenlang treiben die beiden Wissenschaftler Simon Lewis und Greta Dargie und ihre Helfer den Bohrstab in den Torf.
Stundenlang treiben die beiden Wissenschaftler Simon Lewis und Greta Dargie und ihre Helfer den Bohrstab in den Torf.

Schließlich haben sie die Torfschicht durchdrungen – nach 3,70 Metern. So tief? Die Forscher sind überrascht, schließlich liegt das Gebiet am Rand der bislang angenommenen Moorfläche. Weitere Messungen werden folgen.

Der zutage beförderte Bohrkern zeigt zur Überraschung aller, dass die Torfschicht mehr als drei Meter tief ist.
Der zutage beförderte Bohrkern zeigt zur Überraschung aller, dass die Torfschicht mehr als drei Meter tief ist.
Greta Dargie präsentiert den Dorfbewohnern den Bohrkern. Das Torfmoor könnte den bitterarmen Menschen, die hier leben, neue Perspektiven geben – als Bewahrer dieses einmaligen Klimaschatzes.
Greta Dargie präsentiert den Dorfbewohnern den Bohrkern. Das Torfmoor könnte den bitterarmen Menschen, die hier leben, neue Perspektiven geben – als Bewahrer dieses einmaligen Klimaschatzes.

Gemeinsam schützen

Jannes Stoppel begleitet die Expedition, um sich selbst ein Bild von diesem Naturschatz zu machen. Durchnässt, aber begeistert kehrt er ins Dorf zurück. Sollte das Moor noch mehr Kohlenstoff speichern als gedacht? Bereits jetzt ist es von Abholzung durch internationale Konzerne bedroht – und mit ihm die letzten Gorillas in der Region. Zudem ist die DR Kongo, eines der ärmsten Länder der Welt, von Bürgerkriegen gezeichnet. Umweltschützer engagieren sich hier unter Lebensgefahr.

“Die Kinder und Lehrer haben mich besonders berührt“, sagt Stoppel ein paar Tage später. Da ist er bereits in Bonn auf der Weltklimakonferenz. Im Gepäck hat er bunte Stoffstreifen, auf die die Kinder aus dem Kongo ihre Botschaft an die Gipfelteilnehmer geschrieben haben. „Nachhaltige Entwicklung“ steht wörtlich auf einem.

Zurück auf dem Dorfplatz erklärt Stoppel zusammen mit seinem afrikanischen Kollegen Raoul Monsembula den neugierigen Kindern, was erforscht wird und wie das alles mit dem Klimawandel zusammenhängt.
Zurück auf dem Dorfplatz erklärt Stoppel zusammen mit seinem afrikanischen Kollegen Raoul Monsembula den neugierigen Kindern, was erforscht wird und wie das alles mit dem Klimawandel zusammenhängt.
Gemeinsam sprechen Capucine Dayen von Greenpeace Afrika (Mitte) und eine norwegische Journalistin, die sie begleitet, mit den Kindern des Dorfes über den Schutz des Klimas.
Gemeinsam sprechen Capucine Dayen von Greenpeace Afrika (Mitte) und eine norwegische Journalistin, die sie begleitet, mit den Kindern des Dorfes über den Schutz des Klimas.

„Das Ziel des Pariser Abkommens ist es, Emissionen zu reduzieren und – da kommen die Torfmoore ins Spiel – überschüssiges CO2 zu speichern“, sagt Stoppel. „Nun geht es darum, die Menschen vor Ort zu unterstützen.“ Dafür muss Geld fließen. Die Industrieländer haben sich in Paris verpflichtet, jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen zu geben. Greenpeace fordert, dass mit einem Teil des Geldes afrikanische Länder dabei unterstützt werden sollen, ihr Land umweltverträglich zu nutzen und dabei die Interessen der lokalen Bevölkerung zu berücksichtigen. „Sie brauchen Solaranlagen, Bildungsmaterialien und Arbeitsplätze, die nicht auf der Abholzung des Waldes basieren“, sagt Stoppel.

„Nur durch eine nachhaltige Entwicklung können das Torfmoor und die reiche Artenvielfalt geschützt werden.“

Einen kleinen Erfolg kann Stoppel auf dem Klimagipfel verbuchen: Eigentlich hatte die Regierung des DR Kongo vor, das bestehende Einschlagmoratorium aufzuheben – doch internationaler Druck hat das verhindert. „Das Moratorium bleibt vorerst, hoffentlich bis ein nachhaltiges Waldmanagementkonzept entwickelt ist“, erklärt Stoppel.