Europa

Wählen gehen fürs Klima!

Die Europäische Vertretung von Greenpeace in Brüssel konnte schon zu einigen Verbesserungen im europäischen Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Damit das EU-Team von Greenpeace auch weiterhin erfolgreich arbeiten kann, braucht es im Europaparlament Abgeordnete, die den Klimawandel ernst nehmen und sich für die Umwelt stark machen. Deshalb ruft Greenpeace gemeinsam mit anderen Organisationen dazu auf, zur Wahl zu gehen und dort ein Zeichen für den Klima- und Umweltschutz zu setzen. Ein Porträt des Brüsseler Greenpeace-Büros

Fünf Akteure des Brüsseler Greenpeace-Teams, v. l.: Andrea Carta, Sebastian Mang, Laura Ullmann, Franziska Achterberg und Jorgo Riss

Über den Dächern von Brüssel sitzt die Agrarexpertin Franziska Achterberg in der gemütlichen Kaffee-küche der Europäischen Vertretung von Greenpeace in Brüssel „Ihr glaubt nicht, was eben passiert ist“, sagt sie und blickt in fragende Kollegengesichter. „Das habe ich noch nie erlebt: Die EU-Kommission hat angerufen und sich bei uns bedankt!“ – für unsere Expertise bei der Vorbereitung des neuen Gesetzes, wonach bisher geheim gehaltene Glyphosatstudien veröffentlicht werden müssen. Dafür hat Greenpeace lange gekämpft, vor allem Franziska und ihre 15 Mitstreiter im Brüsseler Greenpeace-Büro. Wie jeden Tag blättert die Umweltlobbyistin in Zeitungen und Magazinen und freut sich über die Schlagzeilen in der heutigen Tagespresse, die verkünden, dass der CO2-Ausstoß auch bei LKWs reduziert werden muss. „So kann es gerne weitergehen“, sagt Franziska, die schon Anfang 2000 von Berlin nach Brüssel gezogen ist.

Treffpunkt Küche: Mit Blick auf Brüssel sichten die Greenpeace-Mitarbeiter (links Franziska Achterberg) internationale Zeitungen und besprechen Strategien

Noch früher, in den 80er-Jahren, startete Greenpeace die politische Lobbyarbeit auf EU-Ebene – als klar wurde, dass sich globale Umweltprobleme wie der Klimawandel nicht auf nationaler Ebene lösen lassen. Das Greenpeace-Team unter Leitung von Jorgo Riss pflegt Kontakt mit EU-Parlamentariern und Kommissionsmitarbeitern. „Wir gehen da hin und sagen: Das geht so nicht“, sagt Franziska selbstbewusst. Obwohl die Industrielobbyisten in Brüssel zahlenmäßig deutlich dominieren, kann das Greenpeace-EU-Büro Erfolge vorweisen, wie etwa das Verbot von Giftstoffen in Spielzeug, die verpflichtende Kennzeichnung von Gentechnik oder das Verbot von drei bienenschädlichen Agrargiften.

Die Brüsseler Greenpeacer können Umweltargumente immer wieder erfolgreich platzieren, das könnte nach der EU-Wahl 2019 schwerer werden. Viele Umfragen sagen Zuwächse für rechtspopulistische Kräfte voraus – und viele von denen sind Klimaskeptiker.

„Wir alle müssen ein Zeichen für Umwelt- und Klima-schutz und ein friedliches Europa setzen“

sagt Laura Ullmann, zuständig für die Öffentlichkeits-arbeit im Brüsseler Team. Denn die kommende fünfjährige Legislatur-periode ist entscheidend, um die Weichen für den Klimaschutz zu stellen.

An dieser Stelle kommen wir als EU-Bürgerinnen und -Bürger ins Spiel. Denn die Wähler bestimmen, welche Mehrheiten sich im EU-Parlament bilden, die wiederum den nächsten Vorsitz der Kommission mitbestimmen. „Diese Wahl ist eine Schlüsselwahl für unsere Zukunft“, sagt Laura, deshalb sollte jeder, dem Umwelt- und Klimaschutz, Menschenrechte, Demokratie und Frieden wichtig sind, hingehen, „ansonsten verschenkt man seine Stimme zugunsten der Gegner dieser Werte.“

Das Brüsseler Team ist aber auch optimistisch. Denn in vielen EU-Ländern, in denen sich autoritäre und rechte Regime durchgesetzt haben, regt sich zunehmend Widerstand. Viele Menschen protestieren gegen Regierungen, die den Rechtsstaat und die Demokratie untergraben, etwa in Polen, Rumänien oder Ungarn. Auch fürs Klima engagieren sich immer mehr Menschen, sei es im Hambacher Wald oder bei den freitäglichen Schülerstreiks.

Wenn es gilt, Werte zu verteidigen oder Gesetze auf den Weg zu bringen, ist Andrea Carta nicht weit. Der Jurist aus Italien durchforstet für das Greenpeace-EU-Büro in Brüssel Akten und Dokumente, um juristische Fehler in der Argumentation der politischen Gegner aufzudecken.

Zur Hochform ist er im Fall TTIP-Leaks aufgelaufen: Greenpeace waren damals geheime Verhandlungsunterlagen über das Handelsabkommen zwischen den USA und der EU zugespielt worden. Tagelang sichtete und analysierte er zusammen mit anderen Greenpeacern die Papiere. „Wir deckten auf, dass europäische Umweltstandards aufgeweicht und ein eigenes Justizsystem für Investoren eingeführt werden sollten. Dieser Skandal mobilisierte riesige Proteste, das hätten wir bei so einem abstrakten Thema nicht für möglich gehalten.“ Plötzlich war die Handelspolitik in aller Munde – und die Forderung nach der dringend nötigen Transparenz.

Geschockt vom Brexit-Drama: der Halb-Engländer Sebastian Mang, im Brüsseler Greenpeace-Team zuständig für erneuerbare Energien

Andrea findet, dass sich in den letzten Jahren in der EU vieles zum Besseren gewendet hat. „Zum Beispiel die Bürger-energie“, wirft Sebastian Mang ein, der gerade die Küche betritt, um sich einen Kaffee zu kochen. Der Halb-Engländer, noch immer geschockt vom Brexit-Chaos, setzt in Brüssel alles daran, die Energiewende voranzutreiben. Besonders freut sich Sebastian deshalb über die jüngste EU-Entscheidung, dass ab dem kommenden Jahr jede und jeder in der EU selbst Solarstrom produzieren und zu fairen Preisen einspeisen darf. Ein Gegner dieses Beschlusses war das Stammland der Bürgerenergiegenossenschaften: die Bundesrepublik Deutschland, wo die Große Koalition die Förderung von Solarenergie drastisch eingeschränkt hat.

Andrea Carta, Jurist aus Italien, prüft und analysiert Akten und Gesetzesvorlagen unter Umweltgesichtspunkten

Auch beim Thema Glyphosat spielt Deutschland eine unrühmliche Rolle: Das Bundesinstitut für Risikobewertung hatte beispielsweise bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials von Glyphosat seitenweise aus Studien des Herstellers Monsanto abgeschrieben. Franziska erinnert sich noch gut daran, dass es innerhalb von vier Monaten gelang, europaweit 1,3 Millionen Unterschriften gegen Glyphosat zu sammeln. Zwar hat die EU die Zulassung noch einmal um fünf Jahre verlängert, aber danach seien die Tage der Glyphosatanwendung gezählt.

So ist es oft: Die EU will Grenzwerte verschärfen und Klimaschutzmaßnahmen voranbringen, doch nationale Regierungen bremsen, stellen sich quer und verwässern solche Vorhaben aus Eigeninteresse. „Das wissen leider viele Menschen nicht“, bedauert Franziska. Dafür verantwortlich macht sie die oft viel zu oberflächliche Berichterstattung, aber auch so manche EU-Abgeordnete, die „Erfolge für sich persönlich verbuchen, Niederlagen aber der EU in die Schuhe schieben.“ So nehme in den Köpfen der Menschen das Bild eines Bürokratiemonsters Gestalt an. „Die EU ist zwar ein komplexes und langsam agierendes Konstrukt und auch in vielen Bereichen noch verbesserungswürdig, aber alles in allem ist die EU viel besser als ihr Ruf“, sagt Franziska.

Aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken: Den Mischlingshund Yengue hat Jorgo Riss, der Leiter des Greenpeace-EU-Büros in Brüssel, aus dem Tierheim geholt

Sebastian Mang pflichtet ihr bei. „Es ist einfach großartig, dass ein Beschluss auf EU-Ebene gleich für mehr als 500 Millionen Menschen gilt“, schwärmt der Halb-Brite, „damit setzt die Staatengemeinschaft Maßstäbe, die weit über die EU hinaus wirksam werden.“

#VoteForClimate

Das Brüsseler Greenpeace-Büro arbeitet eng mit dem Umweltbündnis „Green 10“ zusammen. Dieses hat ein Manifest zur Europawahl erstellt: