Deutscher Kohleausstieg kommt viel zu spät

Energie

In der Klimakrise handelt die Bundesregierung weiter nur halbherzig. Dass es auch anders ginge, zeigt die Corona-Pandemie

Corona veränderte auch unsere Arbeit – ab Mitte März werden öffentliche Aktivitäten abgesagt, wir müssen uns von zu Hause aus weiter für eine intakte Umwelt und besseren Klimaschutz einsetzen. Doch es findet sich auch Hoffnung: „Die Corona-Krise zeigt eindrücklich, dass die Politik schnell, konsequent und effektiv handeln kann  – genauso entschlossen müssen die Regierungen nun die fortschreitende Erderhitzung aufhalten“, sagt Greenpeace-Klimaexpertin Anike Peters.

Die Bundesregierung rühmt sich zwar als Vorreiter im Klimaschutz, doch statt den Kohleausstieg beherzt und entschlossen anzugehen, will sie vor allem den größten Dreckschleudern, den Braunkohlekraftwerken, maximale Laufzeiten zusichern: Das Kohleausstiegsgesetz, das der Bundestag bis zum Sommer verabschieden soll, sieht vor, dass die letzten Kraftwerke erst im Jahr 2038 vom Netz gehen. Laut der Wissenschaft wäre ein Kohleausstieg spätestens im Jahr 2030 nötig.

„Den Kohleausstieg damit zu beginnen, ein weiteres Kohlekraftwerk anzufahren, ist grotesk.“

Blamage für Deutschland

Mit dem vorgelegten Gesetz ignoriert die Regierung weite Teile des sogenannten „Kohlekompromisses“, den Umweltverbände, Gewerkschaften und Industrieverbände im Januar 2019 ausgehandelt hatten. Weder ist im Jahr 2019 auch nur ein einziges Kohlekraftwerk zusätzlich vom Netz gegangen, noch sind für 2020 signifikante Abschaltungen vorgesehen. Zusätzlich soll diesen Sommer mit Datteln 4 sogar noch ein Steinkohlekraftwerk neu in Betrieb gehen. „Den Kohleausstieg damit zu beginnen, ein weiteres Kohlekraftwerk anzufahren, ist grotesk“, sagt Anike Peters, „das wäre ein ebenso falsches Signal an den Rest der Welt wie weitere Dörfer für den Abbau klimaschädlicher Braunkohle zu zerstören.“ Denn trotz des beschlossenen Kohleausstiegs will die Bundesregierung die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath sowie Ober- und Unterwestrich im Rheinland dem weiteren Abbau von Braunkohle im Tagebau Garzweiler II opfern.

Dieser halbherzige Kohleausstiegsplan ist eine Blamage für Deutschland, das damit zu den europäischen Ländern mit den geringsten Ambitionen für den Klimaschutz gehört: Außer Deutschland plant das gesamte Westeuropa einen Kohleausstieg bis spätestens 2030. Frankreich, Schweden, Großbritannien, Italien und Österreich werden sogar schon deutlich früher, nämlich zwischen 2022 und 2025, ihre letzten Kohlekraftwerke abschalten. Deutschland dagegen reiht sich ein in die Riege der osteuropäischen Kohleverfechter Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Polen. Und das nicht, weil ein schneller Ausstieg unmöglich wäre, sondern schlicht, weil der politische Wille fehlt.

Siemens

Brandspur bis München

Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten stiegen Anfang Februar dem Siemenskonzern am Hauptsitz München aufs Dach. Obwohl in Australien längst große Teile des Landes in Flammen standen, hält das Unternehmen weiter an seinem Vertrag mit dem indischen Kohleminenbetreiber Adani fest. Siemens liefert die Signaltechnik für die Bahnverbindung zur umstrittenen Kohlemine Carmichael in Australien. Für Greenpeace ist klar: Wer in diesen Zeiten noch immer Geschäfte macht, die dem Klima schaden, trägt Mitverantwortung für die Klimakrise und die anhaltende Trockenheit, die Waldbrände begünstigt. Im März zog der Klimarat des Landes Bilanz: In Australien zerstörten die Brände mehr als zwölf Millionen Hektar Wald, das entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands.