Treibhausgase

CCS ist eine Scheinlösung

Greenpeace will verhindern, dass die Nordsee zum CO2-Endlager für Industrie- und Energiewirtschaft wird und zeigt Alternativen für den Weg zur Klimaneutralität

2045

muss Deutschland klimaneutral sein. Stromkonzerne und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzen auf CCS (Carbon Capture and Storage), die Abscheidung, Verpressung und Lagerung des Treibhausgases CO2. Die Bundesregierung plant, CO2 unter dem Meeresboden endzulagern. Greenpeace warnt vor dieser Scheinlösung, die den fossilen Konzernen ein „Weiter so“ ermöglichen würde. Seit klar ist, dass das CCS-Vorhaben nach der Sommerpause in erster Lesung den Bundestag passieren soll, hat Karsten Smid, Greenpeace-Klimaexperte, alle Hände voll damit zu tun, es zu verhindern. Er kommentiert Gesetzesentwürfe, beauftragt Studien und Karten, recherchiert gescheiterte CCS-Modellprojekte und arbeitet mit anderen Umweltverbänden und Bürgerinitiativen zusammen, denn: Die CCS-Technik ist teuer, ineffizient, energieintensiv, weitgehend unerprobt — sprich: ökologisch, wirtschaftlich und klimapolitisch gefährlich.

Karsten Smid, seit vielen Jahren Greenpeace-Klimaexperte
Karsten Smid, seit vielen Jahren Greenpeace-Klimaexperte

Es dauert bis zu 20.000 Jahre, bis sich das abgeschiedene CO2 unter dem Boden verfestigt hat. So lange besteht die Gefahr von Leckagen. Kommt es zum Austritt großer Mengen CO2, kann das Treibhausgas zur Versauerung von Meereswasser führen, fatal für Korallen und Mikroorganismen. Obwohl CCS eine Ewigkeitslast für nachfolgende Generationen wäre, wollen die Energiekonzerne nur wenige Jahrzehnte lang haften. Ähnlich wie beim Atommüll trägt die Allgemeinheit bis weit in die Zukunft hinein die Verantwortung für die Schäden und deren Regulierung.

CCS-ProjektPlanungen

Und CCS unter dem Meeresboden gefährdet die ohnehin schon maximal industrialisierte Nordsee, vor allem das UNESCO-Welterbe Wattenmeer und die Schweinswale. Denn die Überwachung der Speichergebiete erfolgt durch Schallkanonen. Deren extreme Lautstärke schädigt Gehör und Orientierung der Meeressäuger. Diese oberflächliche Erkundung reicht aber nicht aus, um die Beschaffenheit der Erdschichten unter dem Meeresgrund zu bestimmen – ein geologischer Blindflug also.

Geplante CO2-Endlager: Diese Karte zeigt, wo in den deutschen Nordseegebieten CO2 verpresst werden soll
Geplante CO2-Endlager: Diese Karte zeigt, wo in den deutschen Nordseegebieten CO2 verpresst werden soll
Geplantes CO2-Entsorgungsnetz: Für den CO2-Transport wäre ein gigantisches Pipelinenetz notwendig
Geplantes CO2-Entsorgungsnetz: Für den CO2-Transport wäre ein gigantisches Pipelinenetz notwendig

Außerdem ist CCS ein infrastruktureller Irrweg. Um ein 3600 Kilometer langes Pipelinesystem zu bauen, in dem CO2 in die Nordsee geleitet werden soll, müssten Milliarden Steuergelder investiert werden. Smid befürchtet, dass diese Infrastruktur frühestens in zehn bis 15 Jahren zur Verfügung stünde. „Wenn sich dann herausstellt, dass die Technik nicht funktioniert, stehen wir klimapolitisch vor einem Scherbenhaufen.“

Unterm Strich ist CCS nichts anderes als eine riskante Entsorgungsmethode, die Big Oil & Gas weiterhin ihre klimaschädlichen Geschäftsmodelle ermöglicht. Smid will das Problem an der Wurzel angehen:

„Wir müssen dafür sorgen, dass CO2 erst gar nicht entsteht“

Karsten Smid Greenpeace-Klimaexperte

sagt der Klimaexperte. Anstatt Gelder in riskante Abfallentsorgungsstrategien zu verschwenden, befürwortet er Investitionen in CO2-freie Produktionsprozesse. Selbst energieintensive Industrien könnten aus seiner Sicht mit grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Beton könnte recycelt werden. Natürliche CO2-Speicher, die durch die Wiedervernässung von Mooren oder das Anlegen von Seegraswiesen entstehen, können Kohlenstoffdioxid langfristig der Atmosphäre entziehen. Diese Umstellungen ließen sich wesentlich schneller umsetzen als die für CCS notwendige Infrastruktur, ist Smid überzeugt.