Aufbruch zur Klimaneutralität

Nachhaltige Bildung

Mit dem Greenpeace-Projekt „Schools for Earth“ machen sich viele Schulen in Deutschland fit für die Zukunft, und junge Menschen erleben Selbstwirksamkeit

Wie viel passt in die Restmülltonnen? Wie oft werden sie geleert? Und sind sie jedes Mal ganz voll? Mit diesen Fragen löchern Viola, Selin, Isabella, Laura und Finn ihren Hausmeister an der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe. Statt zu antworten, geht er mit den Schülerinnen und Schülern hinters Schulgebäude. Mit einem großen Tafellineal vermessen sie dort die drei schwarzen Behälter und rechnen deren Volumen aus: Zweimal 1000 und einmal 500 Liter. „Alle 14 Tage werden die Tonnen geleert. Es fällt unwahrscheinlich viel Müll an, das ist schon Wahnsinn“, sagt der Hausmeister. Erstaunt nehmen die Jugendlichen zur Kenntnis, wie viel Müll ihre Schule produziert.

Bei der Müllrecherche an der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe: Finn, Isabella, Selin, Laura und Viola (v.l.)
Bei der Müllrecherche an der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe: Finn, Isabella, Selin, Laura und Viola (v.l.)

Wenn Schülerinnen und Schüler ihren Abfall nicht einfach wegwerfen, sondern dem Aufkommen auf den Grund gehen, ist Markus Power nicht weit. Er leitet bei Greenpeace das Bildungsprojekt „Schools for Earth“ und begleitet an diesem Sommertag die Karlsruher Schule dabei, ihre CO2-Gesamtbilanz zu berechnen. Dafür hat Greenpeace gemeinsam mit dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) einen CO2-Schulrechner entwickelt, der die Bereiche Wärme, Strom, Wasser, Mobilität, Verpflegung, Beschaffung und den – soeben ermittelten – Posten Müll umfasst. Damit haben die Karlsruher Zehntklässlerinnen und Zehntklässler fast alle Daten beieinander und erwarten den spannenden Moment, in dem das Tortendiagramm auf dem Bildschirm erscheint. Etwa die Hälfte der CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Heizenergie. „Krass“, sagt Isabella.

Power ist dagegen nicht überrascht: „Es ist leider so, dass Wärme und Strom die größten und zugleich schwierigsten Bereiche sind, weil für die Gebäudedämmung, eine klima-freundlichere Heizungs- oder eine Photovoltaikanlage größere Investitionen nötig sind.“ Deshalb konzentriert er sich mit den Schülerinnen und Schülern – abgesehen von den altbekannten Stromspartipps wie Standby oder Lampen ausschalten – zunächst auf die Bereiche, die sie selbst umstellen können:

● Verpflegung: weniger Fleisch und mehr Saisonal-Regionales in der Mensa

● Mobilität: weniger Elterntaxis, mehr Schulwege zu Fuß, per Rad oder Bus

● Wasser: Verbrauch einsparen

● Abfall: weniger Restmüll und Plastik, mehr Mehrwegverpackungen

● Beschaffung: zentrale Bestellung von Recyclingpapier, ökologische Reinigungsmittel

Schools for Earth begreift sich als ganzheitlicher Schulentwicklungsansatz. Das heißt, es wird gelebt, was gelehrt wird, Theorie und Praxis klaffen nicht auseinander. Power gibt ein Beispiel: „Es kann nicht sein, dass die Kinder in Erdkunde erfahren, wie schlimm die Klima-krise ist, und in der Mensa stehen täglich Fleischgerichte auf dem Speiseplan.“

„Indem die Jugendlichen Daten erheben, Umfragen machen und Klimahotspots ermitteln, erleben sie, dass sie ganz konkret etwas ändern können und erfahren so Selbstwirksamkeit, das ist ganz wichtig“, sagt der Greenpeace-Bildungsexperte. „Auf diese Weise lernen die jungen Menschen Kompetenzen, mit denen sie die Herausforderungen der Zukunft lösen können – das ist gelebte Bildung für nachhaltige Entwicklung.“

Bunte Sticker erinnern die Schüler und Schülerinnen daran, Wasser zu sparen oder das Licht auszuschalten
Bunte Sticker erinnern die Schüler und Schülerinnen daran, Wasser zu sparen oder das Licht auszuschalten

Genauso wichtig ist es, wirklich alle Akteurinnen und Akteure einzubeziehen, denn nur am Prozess Beteiligte seien bereit, Konsequenzen zu ziehen. Also holt Schools for Earth Eltern, Lehrkräfte, Schulleitung, Fortbildungsinstitute und auch die Schulträger mit an Bord. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, dann kann es gelingen, Schulen – sie zählen zu den größten Energieverbrauchern der öffentlichen Hand – klimaneutral zu machen“, sagt der Greenpeace-Bildungsexperte.

Noch sind viele der bundesweit 35 Schulen, die bislang bei Schools for Earth mitmachen, mit der Bestandsaufnahme beschäftigt. Im nächsten Schritt geht es dann um konkrete Verhaltensänderungen und die Planung und Umsetzung ausgewählter Klimaschutzmaßnahmen. Ein Trend setzt sich aber jetzt schon immer mehr durch: der Verzicht auf Flüge bei Klassenreisen.

„Bildung für nachhaltige Entwicklung muss der geheime Lehrplan an einer Schule sein.“
Micha Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe

„Meinen PC hab ich bisher oft nicht ausgeschaltet, das werde ich jetzt ändern.“
Gideon, Schüler der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe

„Wir wollen vom Wissen zum Handeln kommen, das ist der Kern von Schools for Earth.“
Markus Power, Greenpeace-Projektleiter

Zusammen mit dem ifeu erarbeitet das Greenpeace-Bildungsteam derzeit einen CO2-Ausstiegsfahrplan für Schulen. Power ist sehr gespannt auf die Roadmap, denn gerade für Schulen in älteren Bestandsgebäuden kann nur ein breit gefächerter und ambitionierter Katalog an Maßnahmen zur Klimaneutralität führen. „Die ganze Gesellschaft, wir alle, müssen es schaffen, bis 2035 klima-neutral zu werden“, sagt er. „Die Schulen gehen schon mal voran. Denn wir haben keine Zeit mehr zu warten.“

Alle Schulen in Deutschland sind eingeladen, beim Projekt mitzumachen: greenpeace.de/schoolsforearth

Danke!

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Teilnehmenden der Deutschen Postcode Lotterie, die Greenpeace bei der Umsetzung des Projekts gefördert und damit einen wertvollen Beitrag zur Verankerung von mehr Klimaschutz und Bildung für nachhaltige Enwicklung an Schulen in ganz Deutschland geleistet haben.