Ein roter Punkt, gefolgt von der vernichtenden Bewertung „Not On Track“ – nicht auf Kurs. So fasst die Internationale Energiebehörde (IEA) die Klimaambitionen der internationalen Schifffahrt in ihrem jüngsten Tracking-Bericht zusammen. Auf dem Wasser muss mehr passieren in Sachen Klimaschutz. Noch immer verbrennen Schiffsmotoren fast ausschließlich Schweröl und Marinediesel. Entsprechend hoch sind die Emissionen. Wäre die Schifffahrt ein Land, sie läge noch vor Deutschland auf Platz sechs der weltgrößten Klimasünder. Die kurze Corona-Delle? Längst passé! Der Ausstoß an Treibhausgasen auf See steigt wieder steil an. Nun hat die für die internationale Schifffahrt zuständige UN-Unterorganisation International Maritime Organization (IMO) Ziele vorgegeben. Schrittweise soll der CO2-Ausstoß der Branche sinken, bis er 2050 bei netto Null liegt. Allein: Es fehlen die verbindlichen Maßnahmen, damit dies auch passiert. Die kann die IMO nicht vorgeben.
Doch langsam gerät etwas in Bewegung. Seit Januar 2024 hat die EU den europäischen Emissionshandel auf die Seeschifffahrt ausgeweitet. Reedereien müssen nun in immer mehr Bereichen für jede Tonne ausgestoßenes CO2 einen schrittweise steigenden Preis zahlen. Entsprechend nimmt auch der Umstieg auf klimaschonende Alternativen zu fossilen Energien Fahrt auf.
Greenpeace will diesen Prozess beschleunigen. Auch wenn es keine pauschale Antwort auf die Frage nach dem Schiffstreibstoff der Zukunft gibt: Fossil wird er auf keinen Fall sein. Manche Schiffe werden vollelektrisch betrieben werden, andere mit Ammoniak. Wir haben uns für unser Aktionsschiff „Beluga II“ für Brennstoffzellen entschieden, die zukünftig mit grünem Methanol betrieben werden. Der Umbau (siehe GPN 1.24) des Schiffs ist fast abgeschlossen. Der Aufbau der nötigen Infrastruktur leider noch nicht.
Der Industriealkohol Methanol wird aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt. Um ihn nachhaltig zu erzeugen, darf ausschließlich erneuerbare Energie eingesetzt und der nötige Kohlenstoff muss dem CO2 der Atmosphäre entnommen werden. Bislang braucht dieser Prozess sehr viel Energie. Entsprechend teuer ist grünes Methanol – sofern man es überhaupt bekommt. Immerhin: Kapazitäten sind gerade im Aufbau. Denn Methanol bietet eine Reihe Vorteile. Es besitzt ähnliche Eigenschaften wie Schiffsdiesel, was Investitionen für Häfen und Schiffsbetreiber überschaubar macht. Anders als Öl oder Ammoniak löst sich Methanol bei einer möglichen Havarie leicht in Wasser auf. Der Treibstoff stellt also eine deutlich geringere Umweltgefahr dar als andere Treibstoffe. Und er bietet der Schifffahrt im Fall von grünem Methanol eine klimaneutrale Perspektive. Mit der umgebauten „Beluga II“ wollen wir einen Anstoß geben, dass die Modernisierung der Schifffahrt schon heute angegangen werden und dass grünes Methanol dabei eine wichtige Rolle spielen kann. Vielleicht findet sich im nächsten IEA-Report dann ein grüner Punkt bei der Schifffahrt: „On track“.
Gregor Kessler
Innovative Lösungen aus dem neuen Solutions Lab
Unsere neue „Solutions Lab“-Abteilung entwickelt technisch innovative, umweltfreundliche Lösungen und stärkt damit die Greenpeace-Kampagnen. Mit den Erfolgen der Vergangenheit wie dem SmILE-Sparauto oder dem Greenfreeze-Kühlschrank vor Augen, will Greenpeace über positive Ansätze Einfluss nehmen. Die Umstellung des Antriebs der „Beluga II“ auf grünes Methanol zählt Projektleiter Hagen Rogg zu den wegweisenden Lösungsansätzen für die gesamte Schiffsbranche. Außerdem beschäftigt sich das vierköpfige Team zurzeit unter anderem mit der Erzeugung von grünem Methanol, neuen Ansätzen zum Moorschutz, reversiblen Brennstoffzellen und ressourcenorientierten Sanitärsystemen.