Alle sind betroffen

Homeoffice und Homeschooling passen schlecht zusammen und nach nun vielen Monaten des parallelen Arbeits- und Schullebens unter einem Dach entstehen in Familien massive Stresssituationen.

Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit für neue Wege, die entlasten statt belasten, fördern anstatt bremsen? Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas – sie verdeutlicht die Schwächen unserer bisherigen Systeme. Die Hoffnung, mit Technologie alle Probleme lösen zu können, muss enttäuscht werden. Das erleben wir täglich. Zwar wird die Digitalisierung auch nach der Pandemie Teil des schulischen Lernens bleiben. Das ist gut so. Aber sie braucht einen Kompass: einen zeitgemäßen Gesellschaftsentwurf. Und der muss gemeinsam, aktiv und im täglichen Miteinander entwickelt werden.

Lernen braucht Beziehung. Vor allem im Distanzunterricht spielt die Qualität der Beziehung zwischen Lehrenden, Lernenden, Eltern, aber vor allem Schüler:innen untereinander eine wesentliche Rolle. Fähigkeiten wie Empathie, Kollaboration und Solidarität sind unabdingbar, um sozial und digital benachteiligte Menschen aufzufangen und wieder an Bord zu holen. Vor allem in Krisenzeiten ist es unverzichtbar, diese Kompetenzen zu fördern. Wir müssen gerade jetzt den Fokus auf den Aufbau qualitativer, stützender Beziehungen legen – und das bedeutet in der Konsequenz, den Mut zu haben, Lehrpläne zu entschlacken, um Zeit für Beziehung zu schaffen. Damit wäre ein erster wichtiger Schritt getan, um die Krise zur Chance zu wandeln.

Viele Schüler:innen lernen besonders in jungen Jahren nicht für sich, sondern für die Lehrerin und den Lehrer bzw. für eine gute Benotung. Da ist überhaupt nichts dabei. Später gehen sie zumeist wegen der Gleichaltrigen in die Schule, nicht wegen des Lernens. Auch das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist jedoch, dass mit jedem neuen Schuljahr die Motivation der Schüler:innen fürs Lernen abnimmt (Klaus Zierer). Hier sind wir als Gesamtgesellschaft gefordert, die Ursachen für Lern-Unlust und Demotivation zu identifizieren und, wo nötig, die Weichen neu zu stellen. Auch das ist im Kern: Beziehungsarbeit. Mit den Schulschließungen und der einhergehenden Digitalisierung wird die Beziehung zwischen Lernenden, Lehrenden und Eltern noch wichtiger. Eine Herausforderung, auf die viele Schulen mutmachende Antworten gefunden haben. Individuelles Feedback und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler:in steht ganz oben auf der Rangliste der wichtigsten Erfolgsfaktoren für guten Unterricht. Und steigert zudem das Wohlbefinden der Lehrkraft (John Hattie). Nie war die Zeit reifer als heute, Neues zu wagen.

Oder mit den Worten von Micha Pallesche (Schulrektor): „Niemals mehr wird es so leicht sein wie jetzt, in einer solchen Krisenzeit, mit einer neuen Idee ‚scheitern‘ zu dürfen. Ich wünsche allen Lehrerinnen und Lehrern den Mut, etwas zu wagen, andere Wege zu gehen, um die Ecke zu denken und einfach mal zu machen!“