Der Lernplattform-Dschungel

Der digitale Unterricht lässt sich mit Hilfe von Lernplattformen bzw. Learning Management Systemen (LMS) organisieren. Dabei können Lerninhalte online bereitgestellt und Lernvorgänge organisiert werden. Eine weitere Aufgabe einer webbasierten Lernumgebung ist, die Kommunikation zwischen Schüler:innen und Lehrenden zu ermöglichen.

Nachdem die Corona-Krise im Frühjahr 2020 für Schulschließungen gesorgt hat, gab es einen großen Ansturm auf verschiedene LMS. Dabei hat nicht nur jedes Bundesland, sondern häufig haben auch einzelne Schulen ihren eigenen Weg eingeschlagen. Schnell sind existierende Systeme, die teilweise noch in der Pilotphase betrieben wurden, in die Knie gegangen. Dadurch wuchs der Druck auf die Länder, einheitliche Systeme und klare Vorgaben zu erarbeiten. Am Ende haben sich drei Lernplattformen durchgesetzt: die Open Source Software Moodle, die kommerzielle Software itslearning und die Schulcloud vom Hasso-Plattner-Institut (HPI). Dabei wird Moodle in mindestens 9 Bundesländern und somit am häufigsten genutzt, wohingegen itslearning und die Schulcloud nur in jeweils 3 Ländern favorisiert bzw. vom Land bereitgestellt werden (Sachsen nutzt „LernSax“, basierend auf Webweaver). Die Länder betreiben diese Plattformen selbst oder haben Firmen damit beauftragt, die Plattformen zu betreiben. Häufig wird ein kostenloser Zugang zu der Plattform angeboten, welcher von jeder Schule genutzt werden kann.

In den Dschungel der Plattformen reihen sich zudem noch die zwei neuen Bildungsportale ein, die in der Pandemiezeit veröffentlicht wurden. Das ist das Bildungsportal der sechzehn Bundesländer Mundo sowie das ebenfalls bundesweit agierende Portal WirLernenOnline ein in sich abgeschlossenes Teilvorhaben im Rahmen der HPI Schul-Cloud.

Bundesländer, die über bereits existierende Systeme verfügten, konnten deren Vorteil der schnellen Einsatzfähigkeit nutzen:

· Bayerns Plattform mebis besteht bereits seit über 8 Jahren, brach jedoch durch die hohen Zugriffszahlen während des ersten Lockdowns zusammen. Durch Bereitstellung von mehr Serverkapazität war es möglich, einen Großteil der Schulen schnell zu bedienen.

· Niedersachsen sprang von der Pilotphase mit 45 Schulen direkt in den Roll-out und stellt die Plattform des HPI nach eigenen Angaben allen Schulen zur Verfügung (im August 2020 nutzten ca. ⅓ der Schulen die Software).

· In Mecklenburg-Vorpommern gab es bereits Pläne für eine Plattform (es wurde in die kommerzielle Plattform itslearning investiert). Mittlerweile sind fast die Hälfte der Schulen mit der neuen Software ausgestattet, jedoch gab es auch hier zu Beginn Schwierigkeiten, so dass das Portal für einige Wochen für die Schulen nicht erreichbar war.

· Baden-Württemberg wollte ab 2018 die eigene Lernplattform ella nutzen. Diese wurde jedoch kurz vor dem Start aufgrund massiver technischer Probleme gestoppt (ein Gutachten des Landesrechnungshofs rügt mangelndes Projektmanagement, Verfahrensfehler und einen utopischen Zeitplan). Zur Schulschließung im März wurde viel Geld in den Ausbau der Serverkapazitäten für das LMS Moodle gesteckt (ct, 05/2020). Nun wird zusätzlich mit Microsoft als Kooperationspartner pilotiert.

Datensparsamkeit

Eine Datensparsamkeit kann keiner der Plattformen nachgesagt werden. So werden häufig neben dem Vor- und Nachnamen und der E-Mail-Adresse auch das Geburtsdatum und das Geschlecht abgefragt. Bei der Plattform itslearning werden zusätzlich IP-Adressdaten und Zugriffszeiten gespeichert, was die Erstellung von detaillierten Profilen der Nutzer:innen ermöglicht, für den sicheren Betrieb der Plattform aber nicht notwendig ist. Dies geschieht bei der HPI Schulcloud nur in anonymisierter Form (gekürzte IP-Adressen).

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn zusätzliche Dienste wie z. B. die Kommunikationsplattform Microsoft Teams oder Cisco Webex mit in das LMS eingebunden werden. Hier können die Daten (je nach Vertrag) auch in die USA weitergeleitet werden und sind dort leichter für staatliche und andere Akteure zugänglich. Auch wenn z. B. in Rheinland-Pfalz der Einsatz von amerikanischen Videokonferenzsystemen in Ausnahmefällen bis zum Ende des Schuljahres erlaubt ist, sollten die Länder schnell neue Lösungen finden, um die Daten der Schüler:innen nach den europäischen Standards zu schützen.

Einordnung Videokonferenzsysteme

Die bereits erwähnten Videokonferenzsysteme können in die meisten LMS eingebunden werden. Hierbei gibt es häufig noch keine klaren Vorgaben der Ministerien, so dass Schulen verschiedenste Systeme nutzen. Die Aspekte des Datenschutzes sind natürlich besonders bei Videokonferenzen zu berücksichtigen. Wir empfehlen hierbei, wie bei dem LMS, besonders auf die Rechte der Schüler:innen und Lehrer:innen zu achten. Es sollte klar sein, in welchem Land die Daten verarbeitet werden (bestenfalls in der EU), und die Kommunikation sollte verschlüsselt werden. Der Vergleich von Microsoft Teams, BigBlueButton (BBB), Jitsi und Cisco Webex zeigt, dass sowohl bei Microsoft Teams als auch Cisco Webex nicht ausgeschlossen werden kann, dass Daten in die USA übertragen werden. Am besten eignen sich lokal (in Deutschland) gehostete Lösungen, wie es beispielsweise Baden-Württemberg bereits vormacht.

Nutzung und Forderungen

Mittlerweile haben die meisten Länder reagiert und ein LMS zur Verfügung gestellt. Doch auch zum Schulstart im Januar waren viele Systeme erneut nicht erreichbar und brachen unter der Last zusammen. Hier müssen die Serverkapazitäten ganz klar den Nutzeranforderungen angepasst werden. Jedoch ist es damit nicht getan, denn sowohl Lehrer:innen als auch Eltern und Schüler:innen müssen sich auf die neue Software einstellen und lernen, mit ihr umzugehen. Auch dieser Prozess muss bei der Einführung von neuen Plattformen mitgedacht werden und ist noch lange nicht in jedem Bundesland abgeschlossen.

Teilweise stehen Einführungsvideos und „Häufig gestellte Fragen und Antworten“ zur Verfügung. Meist finden sich die Videos zum Umgang mit der Software auf der Seite des Bildungsministeriums oder aber auch auf der Website der Plattform selbst.

Neben dem LMS müssen auch Videokonferenzen möglich sein, um mit den Schüler:innen in Kontakt zu treten. Auch hier muss natürlich, wie oben angemerkt, auf die Datensparsamkeit geachtet werden.

Weiterhin müssen die Schüler:innen selbstverständlich die nötige Hardware besitzen, um die Systeme zu nutzen. Hierbei werden in manchen Bundesländern wie z. B. Bremen bereits Leih-Tablets verteilt. Jedoch ist in den meisten Ländern nur ein sehr geringer Teil der Schüler:innen mit solchen Geräten ausgestattet. Noch ist unklar, wie bei einer so großen Anzahl an Geräten der Endgeräte-Support sichergestellt wird (wie z. B. bei Beschädigungen oder Softwareproblemen). Auch hier sind neue Wege, z. B. Schüler:innenfirmen, zu unterstützen, die aber nie die notwendigen Personalressourcen für die Administration, Sicherheit und Funktionalität gewährleisten können.

Datensicherheits-Tipps für Eltern

Alle Anwendungen sollten durch die Eltern oder zumindest zusammen mit den Kindern installiert werden, insofern die Kinder nicht das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben. Soweit es sich um freiwillige Angaben handelt, empfiehlt es sich, sparsam vorzugehen und die Kinder – vor allem bei rein online-basierten Anwendungen – nicht aus dem Blick zu verlieren.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Familien in dieser Situation viel leisten müssen. Behalten Sie die Privatsphäre Ihrer Kinder im Auge. Vor allem im Grundschulalter sollten die Kinder mit den Online-Tools nicht allein gelassen werden.