Nicht weit entfernt von dem Ort, an dem noch vor dreißig Jahren Schildkröten ihre Eier im weißen Sand vergruben, dümpeln Fischerboote im vermüllten Meer. Kinder schwimmen und toben im völlig verdreckten Wasser. „Das hier ist ihr Spielplatz“, sagt Greenpeace-Kampaigner Michael Meyer-Krotz entsetzt. Den Anstoß, sich mit der Müllproblematik auf den Philippinen zu befassen, gab die Greenpeace-Meeresexpertin Sandra Schöttner. Daraufhin recherchierte Michael Meyer-Krotz im Mai vor Ort, ob und wie die Greenpeace-Kollegen in Manila unterstützt werden können.
„Plastikmüll in den Meeren ist ein globales Problem“, sagt er. „Manila gehört zu den schlimmsten Hotspots.“ Knöcheltief steht der 56-Jährige im Müll. Alle paar Schritte hält er inne und betrachtet, was um ihn herum verstreut liegt: Cola-Flaschen, Überraschungsei-Hüllen, Produktverpackungen von Nestlé, Unilever und Palmolive. „Man findet querbeet alle Hersteller.“ Besonders häufig entdeckt er Tütchen von Waren, die in den Armenvierteln in Miniportionen verkauft werden.
Der Abfall türmt sich bis zu einem Meter auf. „Das ist alles wie kontaminierter Boden, den man abtragen müsste wie nach einem Ölunfall“, sagt Abigail Aguilar vom philippinischen Greenpeace-Büro, die ihn zu den Müllstränden begleitet. Mit den rund 40 Kollegen des philippinischen Greenpeace-Büros versucht die Kampaignerin seit Jahren, die Plastikflut zu bekämpfen. Zusammen mit anderen Organisationen klären die Umweltschützer über die Folgen des Mülls im Meer auf, starten in einigen Vierteln erste Mülltrennungsprojekte und säubern Strände. Doch meist spülen Wellen schon nach wenigen Tagen erneut tonnenweise Unrat an.
Anderntags nehmen die philippinischen Greenpeace-Kollegen Michael mit auf den berüchtigten „Smokey Mountain“. Immer noch leben Familien auf dem schwelenden Berg aus Müll – in ständiger Gefahr: Erdrutsche reißen immer wieder Unglückliche in den Tod. Mit bloßen Händen graben sich die Bewohner auf der Suche nach Verwertbarem durch die Abfallschichten. Der Gestank ist kaum auszuhalten.
An vielen Stellen brennen kleine Feuer, mit denen die Menschen metallene Rohstoffe aus den Abfällen lösen, die sie für wenig Geld verkaufen. Solche offenen, ungesicherten Mülldeponien gibt es im ganzen Land, erklärt Abigail Aguilar. In der Regenzeit werde Müll regelmäßig von hier über die Flüsse ins Meer gespült. Überdies schleudere jeder Taifun Tonnen von Unrat in den Pazifik. Achtzig Prozent des Mülls, der sich rund um die Insel in den Fluten sammelt, kommt von Land.
Laut wissenschaftlichen Studien landen jährlich weltweit im Schnitt acht Millionen Tonnen Kunststoffabfall in den Ozeanen. Zu begreifen ist diese Zahl erst, wenn man sie umrechnet: Jede Minute wird eine Lkw-Ladung in die Weltmeere gekippt. Der Plastikmüll gefährdet Seevögel, Meeressäuger und Schildkröten, die ihn verschlucken, und er wird schließlich zu winzigen Partikeln zerrieben, die von Fischen gefressen werden. So gelangen unsichtbare Plastikreste schließlich auch auf unsere Teller. Die vermüllten Strände seien so gesehen fast schon eine gute Nachricht, sagt Michael:
Wenn das Meer das Zeug wieder ausspuckt, haben wir wenigstens die Chance aufzuräumen.
Die Greenpeace-Kollegen zeigen Michael auch „Freedom Island“, ein unbewohntes Stück Land, das seit 2007 Vogelschutzgebiet ist. Wieder steht Michael auf Müllbergen. Vögel sind weder zu hören noch zu sehen. Doch da, mitten in der Plastikwüste, entdeckt er zarte Mangrovenbäumchen – „ein Hoffnungsschimmer“.
Jetzt geht es darum, mit Abigail Aguilar, ihren Kollegen und verbündeten philippinischen NGOs eine gemeinsame Strategie gegen die Müllflut zu erarbeiten.