„Wir werden kämpfen“

Rolf Skar (49) ist seit 2007 bei Greenpeace USA, derzeit als nationaler Programmdirektor. Ein Gespräch über den Schock nach Donald Trumps Wahlsieg, die Arbeit von Greenpeace USA unter der neuen Regierung und was ihm noch Hoffnung gibt
Rolf, es sind wilde Zeiten in Amerika. Hat sich Eure Arbeit seit dem Amtsantritt Trumps verändert?
Auch wenn unsere Themen Umwelt- und Klimaschutz bleiben – wir haben unter der neuen Regierung weniger Möglichkeiten. So wird es auf Bundesebene keine Maßnahmen zum Klimaschutz geben. Wir werden uns daher noch stärker auf Kalifornien konzentrieren. Was hier umgesetzt wird, kommt später im ganzen Land an. Wir wollen Kalifornien im Umwelt- und Klimaschutz voranbringen und dem Land zeigen, dass solche Maßnahmen funktionieren, dass am Ende alle von ihnen profitieren, auch wirtschaftlich. Trump wird die kalifornischen Umweltregeln angreifen. Aber er kann sie nicht blockieren
Wie ist die Stimmung unter amerikanischen Umweltschützenden? Ich stelle sie mir deprimierend vor.
Deprimierend war es nur für einen Moment. Nach Trumps Amtseinführung herrschte erstmal Schockstarre. Die Liberalen im Land konnten nicht glauben, was da passierte, dass ihre Mitbürger:innen für einen offensichtlich autoritären Anführer gestimmt hatten. Aber die Stimmung hat sich gedreht. Immer mehr Menschen verstehen, dass es nicht nur um Worte und Symbole geht. Wir müssen echte Dinge verteidigen: Unsere Wälder, unsere Flüsse, unsere Freiheit.
Und Du hast Hoffnung, dass die Bevölkerung das unterstützt?
Da bin ich mir sicher. Und ich kann dir genau sagen, seit wann: Jeden Januar feiern wir in Amerika den Martin-Luther-King-Day zu Ehren des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers. Die Demonstration in Sacramento führt an meiner Haustür vorbei. Das ist toll, ich winke und reiche den Teilnehmenden Wasser oder Kaffee. Und dieses Jahr: Doppelt so viele Menschen, in den Gesichtern starke Emotionen. Da wusste ich: Es ändert sich etwas.
Dafür müssten die Menschen sich auf Fakten einigen. Man hat ja das Gefühl, Trump-Anhänger und seine Gegner lebten in verschiedenen Welten.
Du hast völlig Recht. Ich bin mir aber sicher, dass die Trump-Politik vielen Menschen wehtun wird. Wenn die Preise für Essen steigen, merken die Menschen das. Und es gibt Prinzipien, die immer noch alle teilen: Die Amerikaner:innen wollen sauberes Wasser und saubere Luft. Sie wollen, dass ihre wundervollen Nationalparks erhalten bleiben. Trump kann noch so viel lügen, die Menschen werden sehen, dass sich seine Politik gegen sie und gegen das Land richtet. Dann wird es Gegenwehr geben. Wir wollen die Zeit bis dahin nutzen, um Strukturen für die Gegenwehr aufzubauen. Und vergiss nicht: In zwei Jahren sind Zwischenwahlen, ein Sieg der Demokraten würde Trump bremsen.

In immer mehr Städten der USA protestieren Menschen gegen die Politik Donald Trumps und für die Meinungsfreiheit


Aber jetzt ist Trump erstmal von einer Mehrheit gewählt.
Aber nicht, weil die Mehrheit diese extreme Politik will, sondern weil sie unzufrieden ist. Das Problem ist die Ungleichheit. Joe Biden hatte Recht, wenn er erzählte, wie gut die Wirtschaft lief. Aber das zu hören, schmerzt, wenn es einem selbst schlecht geht. Klar, 30 bis 35 Prozent sind harte Trump-Fans, die werden wir nie überzeugen. Aber Millionen Amerikaner:innen haben für ihn gestimmt und werden trotzdem immer wütender über seine Politik.
Was gibt Dir und Deinen Kolleg:innen Kraft in diesen Zeiten?
Die Einsicht, dass es in düsteren Zeiten auf Organisationen wie uns ankommt. Wir sind unabhängig, weil wir kein Geld vom Staat oder von Firmen nehmen. Andere Organisationen, Firmen, Einzelpersonen halten aus Sorge ums Geld den Mund. Wir hingegen können furchtlos Wahrheiten aussprechen. Aus der Geschichte können wir lernen, dass autoritäre Anführer immer eins brauchten, um der Demokratie zu schaden: vorauseilenden Gehorsam. Wir werden nicht vorauseilend gehorsam sein. Wir werden Widerstand leisten. Wir werden kämpfen.
Greenpeace wird nicht schweigen
In einem Prozess zwischen Greenpeace USA und dem Ölkonzern Energy Transfer (ET) hat eine Jury am 20. März in Nord-Dakota die Umweltschützer:innen zu einer Zahlung von 660 Millionen US-Dollar verurteilt. Der Grund: Greenpeace USA hatte sich mit einem Protest von lokalen indigenen Gruppen gegen eine Ölpipeline von ET solidarisch erklärt. Das Urteil in dem umstrittenen SLAPP-Verfahren (Strategic Lawsuit against Public Participation) kam nach einem dreiwöchigen Prozess zustande. SLAPP-Klagen nutzen rechtliche Mittel wie Schadensersatzforderungen, um unliebsame Stimmen aus der Öffentlichkeit zu drängen. „Die vorherige Trump-Administration hat vier Jahre damit verbracht, Schutzmaßnahmen für saubere Luft, Wasser und die Souveränität indigener Gemeinschaften abzubauen. Sie will nun zusammen mit ihren Verbündeten die Arbeit beenden, indem sie den Protest zum Schweigen bringt“, sagte Mads Christensen, Geschäftsführer von Greenpeace International. „Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.“ Greenpeace USA und Greenpeace International werden sich juristisch gegen das Urteil wehren. Angesichts der gewaltigen Summe wäre eine endgültige Niederlage vor Gericht für Greenpeace USA existenzbedrohend. Andere nationale Greenpeace Büros wie Greenpeace Deutschland sind wegen der dezentralen Greenpeace-Struktur vor den finanziellen Auswirkungen des Urteils geschützt. Doch hätte ein endgültiges Urteil im Sinne von Energy Transfer eine verheerende Signalwirkung auch für Europa und Deutschland, mit gravierenden Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit.