Porträt

Greenpeace hat Gewicht in Berlin

Die Mitarbeitenden der Politischen Vertretung nutzen ihre Kontakte zu Politik, Wirtschaft und Medien, um Umweltschutz mehr Gehör zu verschaffen

Wie wichtig es ist, einen kurzen Draht zu politischen Entscheidungstragenden zu haben, hat Greenpeace schon vor rund 25 Jahren erkannt. Damals hat die Organisation in Berlin eine Politische Vertretung eingerichtet. Der heutige Sitz befindet sich fußläufig vom Regierungsviertel in einem lichtdurchfluteten Altbau. Seit zwei Jahren leitet Georg Kössler die Vertretung. „Im Gegensatz zu Unternehmen stehen wir für Gemeinwohlinteressen ein“, sagt er, „wir machen Lobbyismus für Umwelt-, Arten- und Klimaschutz.“ Georg sieht das Greenpeace-Hauptstadtbüro als Schnittstelle zwischen Politik und Greenpeace-Kampagnenteams, die sie strategisch beraten. Außerdem pflegt das Berliner Büro zu allen demokratischen Parteien Kontakte und kommuniziert wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse: „Wir öffnen die Köpfe für unsere Ideen und Lösungen.“

„Beim Thema Tiefsee sind wir auf Gehör gestoßen.“

Georg Kössler, Leiter der Politischen Vertretung

Wie immer donnerstags trifft sich an diesem Morgen das gesamte Team inklusive der Fachexpert:innen aus den Kampagnen in der Politischen Vertretung. Sie klären, wer welche Parlamentssitzungen und Konferenzen wahrnimmt, erarbeiten Lobbystrategien und tauschen sich eng mit dem EU-Greenpeace-Büro und anderen Umweltverbänden aus. „Wir verstehen uns als Serviceeinheit für Kampagnen, recherchieren, welche Themen wichtig sind, welche Debatten laufen oder aufziehen, welche Gesetzentwürfe anstehen, mit welchen Steilvorlagen zu rechnen ist, wer kippelt und wo es noch ein bisschen Überzeugungsarbeit bedarf“, erklärt Georg, der auch schon als Bundestags-referent, in der Berliner Lokalpolitik und bei der Böll-Stiftung gearbeitet hat und gut vernetzt ist.

Das Pfund, mit dem das Team wuchert, ist die große Förderndenschaft von Greenpeace: 620.000 Menschen stehen hinter der Umwelt-organisation. „Das legitimiert unsere Arbeit und beeindruckt unsere Gesprächspartnerinnen und -partner“, sagt er, denn Parteien wären froh, wenn sie so viele Mitglieder hätten.

Georg will mit von starken Inhalten getragener Lobbyarbeit überzeugen: Als kürzlich Greenpeace-Aktive im Rahmen der Ressourcenschutzkampagne mit einem Container voller Textilmüll vor dem Brandenburger Tor standen, lud das Berliner Greenpeace-Team Abgeordnete ein, ihre eigenen Kleider mithilfe von Infrarotlicht auf Mikroplastik untersuchen zu lassen. Einige haben sich darauf eingelassen. „Das sind Aktionen, die den Politikerinnen und Politikern im Gedächtnis bleiben“, sagt der Berliner Büroleiter und freut sich.

Genauso wie über die Wirksamkeit der poltitischen Arbeit: „Unser Engagement war entscheidend beim Atomausstieg“, sagt Georg, „da haben wir konsequent klargemacht, dass der Atomausstieg stehen muss.“ Klare politische Signalwirkung hatten auch die grasenden Weidekühe vor dem Reichstag, die Projektion „Stoppt das Töten!“ an der russischen Botschaft und die vielen Demonstrationen für Demokratie. Ein Erfolg der Greenpeace-Arbeit vor und hinter den Kulissen ist zum Beispiel die vorläufige Absage der Bundesregierung an den Tiefseebergbau. „Da haben wir uns intensiv reingehängt und sind im Bundeswirtschaftsministerium auf Gehör gestoßen“, sagt Georg. Dabei sei es zwar leichter, bei den Grünen und Linken inhaltlich einen Fuß in die Tür zu bekommen. Greenpeace arbeite allerdings unabhängig und sei überparteilich. Entsprechend bekommen auch Habeck & Co. ihr Fett ab. Beispiele sind etwa eine vor der Partei-zentrale platzierte Castorattrappe, Gegenwind zu den Vorhaben, die Gentechnikkennzeichnung aufzuweichen oder CO2 im Meeresboden zu verpressen. Transparenz ist dem Berliner Büro sehr wichtig, deshalb ist Greenpeace im Lobbyregister eingetragen.

Kritik auch an grüner Politik: Vor dem Parteibüro platzierten Greenpeace-Aktive 2022 eine Castorattrape
Kritik auch an grüner Politik: Vor dem Parteibüro platzierten Greenpeace-Aktive 2022 eine Castorattrape

Telefone klingeln, die Kaffeemaschine blubbert, in der Küche treffen sich Praktikant:innen, Mitarbeitende aus dem Hamburger Büro, Ehrenamtliche, Aktive und Gäste aus der internationalen Greenpeace-Welt. Mittendrin behält Kamila Sittek den Überblick. Seit vielen Jahren organisiert sie die Arbeit der Politischen Vertretung. Etwa die informellen Hintergrundgespräche nach Feierabend, vor allem aber das jährliche Sommerfest, zu dem inzwischen bis zu 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien kommen. „Unser Sommerfest hat sich zu einem bedeutenden Networking-Event entwickelt“, sagt Kamila Sittek, „da muss man einfach hin!“ Etliche Umwelt- und Klimaministerinnen und -minster, auch der Chef des Bundeskamzleramts waren schon mit dabei.