Umwelt­journalismus unter Druck

GPN

Nina Schoenian, Geschäftsführende Vorständin
von Greenpeace Deutschland, über die Einstellung des Greenpeace Magazins

Im September erscheint nach gut 30 Jahren die letzte Ausgabe des Greenpeace Magazins, das Warenhaus wird geschlossen. Warum?

Das Greenpeace Magazin hat Umweltjournalismus auf sehr hohem journalistischem Niveau geliefert. Diese Qualität hat das Magazin aber nicht immunisiert gegen eine Entwicklung, die sich im gesamten Printmarkt zeigt: Menschen lesen weniger gedruckt. Es ist dem Magazin nicht gelungen, die sinkenden Printumsätze und gestiegenen Kosten, etwa für Papier, durch digitale Einnahmen wettzumachen. Auch im Warenhaus gingen die Umsätze deutlich zurück. Damit die dort angebotenen Produkte den höchsten Umweltkriterien genügen, müssen sie zu einem Preis verkauft werden, den sich heutzutage weniger Leute leisten können oder wollen. Die Erlöse sanken dadurch in einem Tempo, das das Magazin absehbar in eine Insolvenz getrieben hätte. Dem wollten wir mit der vor Monaten angekündigten Schließung vorbeugen, um der Belegschaft genug Zeit für eine Neuausrichtung zu geben.

Die journalistische Präsentation von Umwelt- und Klimathemen im Magazin stärkte oft auch die Arbeit der Greenpeace-­Kampagnen. Wie schwer fällt es, so ein Pfund aufzugeben?

Das Magazin einzustellen, war die vermutlich schwerste Entscheidung, die der Verein seit vielen Jahren treffen musste. Sie war aber leider unausweichlich. Das Magazin erschien bei einer wirtschaftlich eigenständigen GmbH. Der e.V. war die Gesellschafterin, aber die GmbH hat sich immer selbst getragen, schon um unabhängig zu sein. Die erwähnte Arbeit der Greenpeace-Kampagnen zu Klima- und Naturschutz, zu Umweltbildung und Völkerverständigung geht unvermindert weiter.

Greenpeace-Kampagnen verdienen auch kein Geld. Was sprach dagegen, das Magazin als verlängerte Kampagnenarbeit zu sehen?

In erster Linie unsere Satzung. Sie legt fest, dass der Verein Spendengelder für Kampagnenarbeit einsetzt. Das Magazin ist keine Kampagne, schon wegen seiner journalistischen Unabhängigkeit. Die Redaktion wollte aus gutem Grund nie der verlängerte Arm der Kampagnen sein. Das Magazin stand über Jahrzehnte finanziell auf eigenen Füßen, das funktioniert heute nicht mehr – und unsere Satzung lässt nicht zu, die Verluste aus den Geldern des Vereins auszugleichen.

Das Magazin war journalistisch unabhängig, gleichzeitig trug es den Namen Greenpeace. War die Konstruktion ein Fehler?

Das Greenpeace Magazin war kein Fehler, sondern ein grandioser Erfolg. Es hat in drei Jahrzehnten zahlreiche Preise gewonnen, über lange Strecken hohe Abo-Zahlen erreicht, Menschen berührt und begeistert. Was diese Erfolgsgeschichte nun beendet, sind die enorm gestiegenen Kosten, etwa bei Papier, und die sich wandelnden Lesegewohnheiten.

Die Greenpeace Media GmbH muss schließen. Sie hat das Greenpeace Magazin herausgegeben, erfolgreiche Bücher und schadstofffreie Textilien verkauft
Die Greenpeace Media GmbH muss schließen. Sie hat das Greenpeace Magazin herausgegeben, erfolgreiche Bücher und schadstofffreie Textilien verkauft

Gestiegene Kosten treffen jede Redaktion, aber nicht alle machen zu.

Manche Verlage zahlen niedrige Gehälter und Honorare, andere lassen sich Inhalte sponsern. Beides wollen wir nicht. Es gibt nur sehr wenige Hefte, die wie das Greenpeace Magazin vollständig ohne Werbung auskommen. Das limitiert die wirtschaftlichen Möglichkeiten in so einer Lage.

Unternehmen missbrauchen Nachhaltigkeit als PR, Umweltschutz droht Opfer eines Kulturkampfs zu werden: Braucht es das Greenpeace Magazin heute nicht dringender denn je?

Ich glaube, wir brauchen Greenpeace heute nötiger als je zuvor, egal in welcher Form. Wir brauchen sichtbare Kampagnen, überzeugende Lösungen, kluge inhaltliche Kooperationen und engagierte Ehrenamtliche. Und natürlich braucht es guten, seriösen Umweltjournalismus.

Ein Teil der Redaktion des Greenpeace Magazins startet im kommenden Jahr mit „atmo“ ein neues Heft. Was unterscheidet beide?

Das Magazin „atmo“ tritt mit einer schlanken Besetzung und mit einem Konzept an, in dem etwa auch Kooperationen möglich sein sollen. Das wäre so in der früheren Konstruktion nicht gegangen. Beide Projekte sind deshalb nicht vergleichbar. In jedem Fall wünschen wir allen erdenklichen Erfolg, auch und besonders in dieser spannenden Anfangsphase, in der Abonnent:innen gesucht werden. Diese Zeit verdient ein gutes Umweltmagazin, und die neue Redaktion weiß, wie das geht.

Interview: Gregor Kessler