Im Tiefenrausch

Meere

Meere produzieren die Hälfte unseres Sauerstoffs und speichern große Mengen CO₂, sind aber durch Verschmutzung und Erwärmung stark belastet. Und eine weitere echte Bedrohung der Meere kündigt sich an: der Tiefseebergbau

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit: Weltweit rüsten sich Unternehmen und Regierungen, die Bodenschätze am Meeresgrund auszubeuten. Eine neuartige Tiefseebergbauindustrie steht in den Startlöchern – Greenpeace setzt sich deswegen in vielen Ländern der Erde für den Schutz der Tiefsee ein.

Sie ist der am wenigsten erforschte, größte und von menschlichen Einflüssen weitestgehend freie Lebensraum der Erde. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ahnte niemand, dass es in dieser Finsternis und unter dem extrem hohen Druck Leben geben könnte. Tatsächlich ist die Tiefsee eine Schatzkammer der Artenvielfalt. Die Wissenschaft identifizierte bisher rund 200.000 neue Lebewesen in der Tiefsee, vom Einzeller bis zum Riesenkalmar. Forschende gehen davon aus, dass es noch Millionen weitere unentdeckte, hoch spezialisierte Arten in den Tiefen der Meere gibt. In diesem einzigartigen Lebensraum leben bizarre Wesen wie der Anglerfisch, der eine kleine Leuchte am Kopf trägt, um seine Beute anzulocken oder der Geisterhai, der durch seine durchsichtige Haut auffällt. Erst vor wenigen Jahren entdeckten Forschungsteams die transparente Krake Casper, die ihre Eier auf Manganknollen ablegt und ihre Brut bis zu vier Jahre lang bewacht.

Manganknollenfeld auf dem Meeresboden in der Clarion-Clipperton-Zone im Atlantik

In der Tiefe leben transparente Lichtgestalten wie etwa der Glasoktopus

Auf genau diese Manganknollen haben es Tiefseebergbaukonzerne wie die kanadische The Metals Company abgesehen. Die kartoffelgroßen Klumpen liegen in 4000 bis 6000 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund und enthalten Metalle wie Mangan, Kupfer oder Kobalt. Sie sind insbesondere mitten im Pazifik zu finden. Und nicht nur die Tiefsee wäre durch den Abbau von Manganknollen gefährdet: Eine Greenpeace-Studie zeigt, dass sich die vorgesehenen Abbaugebiete – sie liegen vor allem in der Clarion-Clipperton-Zone – auch mit den Lebensräumen von mindestens 30 Walarten überschneiden. Die monströsen Maschinen saugen die Knollen auf, wirbeln Sedimente auf und zerstören mit ihren schweren Ketten dabei alles, was ihnen im Weg liegt.

Manganknollen enthalten viele verschiedene Metalle wie Mangan, Kupfer oder Kobalt

Als Treiber für die Bestrebungen zum Abbau von Manganknollen wird immer wieder die notwendige Energie- und Mobilitätswende genannt – aber entgegen den Behauptungen von Industrie und Politik sind Metalle aus der Tiefsee dafür nicht notwendig. Stattdessen brauchen wir konsequentes Recycling, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und einen generell achtsamen Umgang mit endlichen Ressourcen.

Seit Jahren geht Greenpeace deshalb an vielen Orten der Welt gegen zerstörerische Projekte in der Tiefsee vor: Aktive konfrontieren Erkundungsschiffe der Tiefseebergbauindustrie, demonstrieren mit Projektionen und auf See, zeigen eindrücklich das Zerstörungspotenzial des Tiefseebergbaus auf, alarmieren mögliche Investorinnen und Investoren, sammeln weltweit Unterschriften und wirken auf die internationale Politik ein. Das Problem ist vielen bereits bewusst. Auch die deutsche Ampelkoalition hat sich für eine Pause in den Verhandlungen um den Start des Tiefseebergbaus ausgesprochen – es soll keine Aktivitäten geben, bevor geklärt ist, welche Gefahren das Umgraben des Meeresbodens mit sich bringt. Greenpeace fordert aber mehr: eine endgültige Absage. Die Bundesregierung muss sich für ein dauerhaftes Moratorium aussprechen.

Auf einem Glasschwamm versammeln sich in der Tiefsee Flohkrebse und eine Krabbe (Mitte)

Andere, etwa die norwegische Regierung, forcieren in ihrem Hoheitsgebiet Plünderungspläne. Tiefseeprojekten auf Hoher See kann nur die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) Einhalt gebieten. Deshalb fordert Greenpeace die beteiligten Staaten dazu auf, den Start des Tiefseebergbaus durch einen Mehrheitsbeschluss aufzuhalten. Noch ist die Debatte weit davon entfernt: Die Staaten des ISA-Rats diskutieren vornehmlich über den sogenannten Mining Code, ein Regelwerk, das festlegen soll, unter welchen Bedingungen Tiefseebergbau stattfinden könnte. Bis 2025 wollen sie sich einigen. Klar ist jedoch: Es ist schlicht nicht möglich, ein Regelwerk für Tiefseebergbau aufzustellen, das diesen extrem empfindlichen Lebensraum schont. Eine bindende Verein-barung zum Umgang mit Abbauanträgen hat der ISA-Rat im Juli 2023 allerdings in die Zukunft verschoben. Nun droht ein unregulierter Wettlauf um die Bodenschätze in Wildwest-Manier.

weltweite Aktionen
Tiefsee schützen

Vielfältiger Einsatz für den Erhalt des Lebensraumes Tiefsee

Berlin, Juni 2023: Kinder übergaben dem Wirtschaftsministerium eine Tiefseepetition mit über 200.000 Stimmen

Senegal, Juni 2023: Mit diesem „Human Banner“ setzten Greenpeace-Aktive ein Zeichen gegen den Tiefseebergbau

England, Juli 2023: Die Projektion auf die Felsen von Dover  richtete sich an die UN-Meeresboden-behörde in Jamaika

Clarion-Clipperton-Zone, November 2023: Die Crew der „Arctic Sunrise“ protestierte gegen Tests für den Tiefseebergbau