Wo sonst vor allem Braunbären, Luchse, Wölfe und Füchse durch die wilde Bergwelt streifen, haben 90 Greenpeace-Aktivisten aus 14 europäischen Ländern Anfang August ein Waldschutzcamp errichtet – mitten in den rumänischen Karpaten, in einem der letzten Urwaldgebiete Europas. Mit GPS, Maßbändern, Fernglas, Proviant und guter Kondition ziehen die Freiwilligen drei Wochen lang jeden Morgen los, um Bäume und Totholz zu vermessen.
Auf 140 Hektar Wald registrieren sie akribisch nicht nur Art, Durchmesser und Höhe der oft jahrhundertealten Baumriesen, sondern auch Spechthöhlen, große Faulstellen und abgebrochene Kronen. Insgesamt dokumentieren die Aktivisten 845 Hektar Wald und identifizieren dabei einzigartige Buchen-Urwaldgebiete. Um diese dauerhaft vor der Säge zu schützen, schlägt Greenpeace vor, die nun genau ausgewiesenen Naturjuwelen in das von der rumänischen Regierung Anfang des Sommers beschlossene nationale Urwaldregister aufzunehmen. Vor Ort stoßen die Teams immer wieder auch auf zerstörte Waldflächen. Sie dokumentieren Baumstümpfe, abgeholzte und von Erosion bedrohte, teils sogar bereits abgerutschte Hänge.
In zwei untersuchten Karpatentälern seien in den vergangenen zehn Jahren rund 38 Prozent des Urwaldes zerstört worden. Sie fürchtet, dass es im restlichen rumänischen Urwald ähnlich aussieht.
Der Verlust ist dramatisch, weil mit dem Wald viele Arten verloren gehen – und die Bäume als natürliche Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel. Die Zeit drängt. Deshalb fordert Greenpeace ein sofortiges Moratorium für Holzeinschlag und Straßenbau in schützenswerten Gebieten. Solange, bis es für die verbliebenen Urwälder dauerhaften Schutz gibt.
„Der illegale Holzeinschlag ist in Rumänien ein Riesenproblem“
Nach Schätzungen gibt es noch rund 120.000 Hektar, eine Fläche anderthalbmal so groß wie Berlin. „Es geht um den Schutz der Ökosysteme, für die Europa eine internationale Verantwortung hat – aber auch um die Glaubwürdigkeit Europas“, sagt Jürgens. „Denn wie können wir von Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo verlangen, dass sie ihre Urwälder erhalten, wenn wir das hier nicht schaffen?“