Verräterisches Leuchten

Fleisch

Greenpeace klärt vor Lidl-Filialen über Antibiotikaeinsatz und Haltungsbedingungen in der Schweinemast auf.
Die Verbraucher sollen wissen, wie viel Medikamentenreste und Tierleid sie in ihren Einkaufskorb legen

Mit einem einfachen Trick macht Markus Wichmann das Unsichtbare sichtbar: Der Greenpeace-Aktivist legt ein Billig-Schweinekotelett in einen grünen Holzkasten. Sobald er die Schwarzlichtlampe einschaltet, schimmern auf dem Knochen gelblich-weiße Flecken.

„Das sind Rückstände
von Antibiotika“

erklärt Wichmann den erstaunten bis schockierten Kunden.

Sechs Wochen lang tourte der Greenpeace-Aktivist durch Deutschland und demonstrierte zusammen mit Ehrenamtlichen in 32 Städten vor Lidl-Filialen. Denn die Preispolitik des Discounters und anderer Supermarktketten trägt zu den unhaltbaren Zuständen in deutschen Ställen und dem ausufernden Einsatz von Antibiotika bei. Konkret geht es um Tetracycline, die sich während der Mast in den Knochen der Tiere ablagern und unter UV-Licht deutlich fluoreszieren. 740 Tonnen Antibiotika werden jährlich bundesweit in der Tierhaltung eingesetzt.

„Die sorglose Vergabe von Antibiotika in Ställen bedroht die Gesundheit der Menschen“, warnt daher Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff. Zwar stelle der Fleischverzehr keine direkte Gesundheitsgefahr dar, aber es könnten sich resistente Krankheitserreger entwickeln – je mehr Antibiotika verabreicht werden, desto höher das Risiko. Die Massentierhaltung ist wahrscheinlich einer der Gründe für die Zunahme gefürchteter Resistenzen, die bereits jetzt tödliche Folgen in der Humanmedizin haben: In Europa sterben jährlich etwa 25.000 Menschen, weil Antibiotika nicht mehr wirken.

Sichtbare Chemie: Nach dem Einkauf bei Lidl können Verbraucher unter Schwarzlicht selbst sehen, dass sich im Kotelett­knochen Antibiotikareste abgelagert haben.
Sichtbare Chemie: Nach dem Einkauf bei Lidl können Verbraucher unter Schwarzlicht selbst sehen, dass sich im Kotelett­knochen Antibiotikareste abgelagert haben.

Im vergangenen Jahr wurden bundesweit jede Minute 112 Schweine geschlachtet.

Bislang scheren sich die Deutschen wenig um diese Zusammenhänge. Noch immer essen sie im Schnitt pro Jahr sechzig Kilogramm Fleisch. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit jede Minute 112 Schweine geschlachtet. Nur die Wenigsten durften artgerecht leben, 99 Prozent der Schweine stammen aus konventionellen Betrieben.

Dass sich die Zustände nicht bessern, ist die Folge gnadenloser Preiskämpfe von Discountern und des gesamten Fleischhandels. Schaden nimmt dabei auch die Umwelt: Greenpeace hat nachgewiesen, dass sich Antibiotika und multiresistente Keime in der Gülle wiederfinden, die Landwirte in viel zu großen Mengen auf den Feldern ausbringen. Außerdem verschmutzt das darin enthaltene Nitrat das Grundwasser. Deshalb fordert Greenpeace verschärfte Düngegesetze und setzt auf die Normenkontrollklage des Berliner Senats. Dieser wird die Haltungsbedingungen von Schweinen in Deutschland durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.

Ein Riesenkotelett auf Deutschlandtour: In 32 Städten informiert Greenpeace Lidl-Kunden über die Haltungsbedin­gungen von Schweinen, die als Billig­fleisch in der Pfanne enden.
Ein Riesenkotelett auf Deutschlandtour: In 32 Städten informiert Greenpeace Lidl-Kunden über die Haltungsbedin­gungen von Schweinen, die als Billig­fleisch in der Pfanne enden.

Doch auch die Verbraucher sieht Greenpeace in der Pflicht: Wer Fleisch essen möchte, dem sollte es auch etwas wert sein. Deshalb fordert Greenpeace nicht nur eine bessere Tierhaltung, sondern auch eine verpflichtende Haltungskennzeichnung. Jeder Verbraucher soll wissen, ob und wie viel Tierleid er in seinen Einkaufskorb legt.

In Dänemark macht Lidl selbst vor, wie es besser geht: Dort beziehen etwa 100 Filialen Schweinefleisch von auf der Verpackung genannten Betrieben, die in der Haltung auf Antibiotika und Gen-Futter verzichten. Das ist ein Anfang, an dem sich Lidl in Deutschland ein Beispiel nehmen könnte.

Das Video zur Aktion