Lesermeinung
„Ein Bärendienst für den Umweltschutz“
Auf die Frage, wie weit Klimaaktive bei ihren Protesten gehen dürfen, gehen die Ansichten der Förderinnen und Förderer weit auseinander
FRIEDHELM BUCHENHORST
GRAFING
Die Klimaaktiven sind die wahren Helden unserer Zeit, und all die Versuche, sie zu kriminalisieren, zeigen nur die ökonomisch-ideologische Befangenheit der führenden Politik. Die allgemeine und beständige Beschleunigung des Geldkreislaufes zum (Pseudo-)Wohl von Anlegern und Investoren bewirkt einen immer weiter steigenden physikalischen und mentalen Ressourcenverbrauch. Die Klimaaktiven stören diese fatale Amokfahrt, und das mögen die großen Herren unserer Welt nicht. Ich habe tiefen Respekt vor den Klimaaktiven!
UWE GÖTZ
Bochum
Solange keine Gefahr für Leib
und Leben besteht – für Aktive und Publikum – ist Protest okay. Wer sich fixiert, sieht der Klimakrise weitaus tiefer in die Augen und nimmt sie ernster als so manche Regierung. Fixierung für Tierschutz, gegen die Fossilen oder gegen Fernstraßen bedeutet Mut und Durchhaltevermögen. Niemand begibt sich ohne triftigen Grund in derart sensible Situationen.
HEIKE WITZEL
MÜNSTER
Klimaaktive nehmen beim Festkleben billigend (Personen-)Schäden in Kauf, das ist Rechtsbruch. Ich bin für härtere Strafen und nicht-gefährdende Aktivitäten. Die Aktiven sollten lieber bei nachhaltigen Projekten mitarbeiten und die Erfolge dann lauthals bekannt machen.
MICHAEL KELBER
FRANKEN
Ich finde Formen des zivilen Ungehorsams und Regelverstöße, wie man sie von Greenpeace kennt, gut. Sie dienen dazu, mediale Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken und anschließend mit sehr guter Pressearbeit in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Die Aktivistinnen und Aktivisten, die durch wiederholte Straßenblockaden auffallen, nötigen nur Mitmenschen und versuchen den Staat zu erpressen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Damit bringt man nur die breite Mehrheit der Bürger gegen sich auf. Das ist ein Bärendienst für den Umweltschutz. Für die heutigen großen Probleme des Klima-, Arten und Umweltschutzes benötigen wir eine breite Mehrheit der Bevölkerung!
FELICITAS AMEZIANE
MAGDEBURG
Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall. Ich finde es nicht vertretbar, wenn Klimaaktive Straßen lahmlegen, da es noch keine ausreichende Alternativen gibt. Ich finde es richtig, wenn kurzweilig der Flugverkehr gestoppt wird. Denn, müssen in Deutschland täglich mehr als 8000 und weltweit über 80.000 Flüge stattfinden?
ANDREA BAUER
OBERBAYERN
Tja, schwierige Frage. Wenn Politik und Gesellschaft weiterhin so sträflich langsam oder gar nicht auf die Klimaerwärmung reagieren, würde ich wahrscheinlich Sachbeschädigung und massivere Blockaden als unvermeidbar anerkennen – vorausgesetzt, es kommen keine Menschen zu Schaden.
HANNELORE SCHUBERT
OLDENBURG
Akzeptabel wäre die Überschreitung von Grenzen durch die Klimaaktiven, die ohnehin von vielen als nervig und spinnert abgetan werden, nur dann, wenn damit auch konkrete Ziele erreicht werden würden. Sie alle schreien aber nur nach gesetzlichen Reglementierungen der umweltrelevanten Themen, um anschließend die übermäßige Bevormundung in Deutschland zu kritisieren. Warum aber nicht endlich einfach selbst Verantwortung übernehmen und (um nur wenige klassische Beispiele zu benennen) auf den Kauf des SUV sowie häufige Flüge verzichten, Tempolimits selbständig durchzuführen, den Umgang mit Energie und Wasser zu kontrollieren und das permanente Wegwerfen von Lebensmitteln, Textilien und elektronischen Geräten einzugrenzen. Zeit und Energie der Klimaaktivisten wären somit besser investiert in eine direkte Zusammenarbeit und Anleitung von Verbrauchern, deren Macht durch ihre Verhaltensänderungen nicht zu unterschätzen ist.
HOLGER ERBS-KORN
EINHART
Klebt Euch auf die Straßen!
Verbreitet Frust und Wut!
Den überschritt‘nen Maßen
des Menschen tut es gut!
Verpasster Flug nach Malle?
Und schon ist Hass gebor‘n
In welcher Einkaufshalle
ging unser Mitgefühl verlor‘n?
Spielt weiter unschön Geige
Verbreitet Frust und Wut!
Der Zaudernde und Feige
verdankt Euch Trost und Mut.
KAREN ENGELHARDT
WEHRHEIM
Aus meiner Sicht sollten wir uns alle auf den Straßen festkleben, um unsere Regierung zu zwingen, das zu tun, wozu sie sich verpflichtet hat. Es ist doch absurd, dass Menschen, die an die Einhaltung von getroffenen Vereinbarungen erinnern, über Jahre schlicht ignoriert, belächelt und herablassend behandelt werden. So nach dem Motto..“ ja ja, die jungen Leute, das ist ja ganz schön, dass die sich für den Umweltschutz einsetzen..“. Das Thema wird behandelt, als wäre es ein Thema für einige Ökos in der Gesellschaft und ginge nicht uns alle an. Laut aktuellen Umfragen stimmen 70 Prozent der Deutschen Maßnahmen zum Umweltschutz zu. Wieviel Grad Celsius und wie viel Starkregen wollen wir uns noch als immer-mal-wieder-auftretendes-Wetterphänomen schönreden, bevor wir kapieren, dass wir es selbst sind, die das kreieren?
Die mutigen Menschen als Terroristen zu stigmatisieren und sie damit schnell in den Köpfen der Öffentlichkeit als die Schuldigen zu brandmarken, um von der eigenen Schuld abzulenken, ist perfide. Allerdings nicht neu. Ehemals friedliche Proteste sind auch in unserer Demokratie schon häufig gewaltsam (mit juristischen oder polizeilichen Mitteln) erst zum Eskalieren gebracht und dann beendet worden. Wir regen uns auf, dass in Diktaturen – auch in Europa – Demonstranten als Staatsfeinde und Terroristen verprügelt und weggesperrt werden. Wo ist der Unterschied, wenn unsere Politiker laut von Klimaterroristen und davon sprechen, rote Linien seien überschritten und man müsse hart dagegen vorgehen. Verhaftungen, Durchsuchungen und Diffamierungen sind das Mittel der Wahl, um schnell wieder vermeintliche Ruhe einkehren zu lassen.
Zurück zur Kernfrage: Ich denke, dass bei kompletter Ignoranz die Maßnahmen immer drastischer werden dürfen, ohne dabei Menschen zu gefährden. Das ist für mich das Limit; eine physische Gefährdung von Menschen ist für mich nicht akzeptabel. Ich hätte mir gewünscht, dass eine Reaktion schon bei den ersten Aktionen (Hungerstreik vor dem Bundestag, etc.) erfolgt wäre, dass es dann Straßenaktionen werden mussten, damit das Thema breite Aufmerksamkeit erfährt, ist eine Folge der Ignoranz. Und wenn Greenpeace nicht immer wieder spektakuläre Aktionen ähnlicher Art gemacht hätte, wäre unser kollektives Bewusstsein für die Umwelt heute auch ein anderes und wir hätten deutlich schlechtere Bedingungen für Mensch und Tier. Mit dem Unterschied, dass sich die Maßnahmen hier meist gegen die vermeintlichen Verursacher gerichtet und somit die Gesellschaft nicht gestört haben. Man konnte sich die Bilder bequem aus dem Fernsehsessel in der Tagesschau anschauen. Auch hier waren es die aufmerksamkeitsstarken Aktionen, die hilfreich waren und auch hier wurde mit dem Paraglider-Unfall in der Allianz-Arena unbeabsichtigt eine Grenze tangiert, die diskutiert wurde.
Die Aktionen, die uns als Gesellschaft beeinträchtigen und starke emotionale Reaktionen hervorrufen, sind nötig, weil es immer dringlicher wird. Dass auch unsere höchsten juristischen Organe sagen, dass es sich hier weder um Terroristen oder subversive Taten handelt, hätte für meinen Geschmack durchaus länger und deutlicher in der Öffentlichkeit besprochen werden dürfen. Die Klimaaktivisten verfügen nicht über so viele anerkannte Experten wie Greenpeace, die öffentliche Fürsprecher sein können und auf unterschiedlichen Podien gehört werden. Gleichwohl verstehe ich, dass man sich nicht zusammentun kann.
Ich bin 58 Jahre alt und mir wird leider auch erst in den letzten Jahren klar, wie ich zu all dem aktiv und passiv beigetragen habe. Es ist nie zu spät, Dinge zu verändern und Neues zu lernen.
Ihnen wünsche ich weiterhin die Chuzpe und die Möglichkeiten, Dinge positiv zu verändern. Und ich danke Ihnen, dass Sie das mit Ihrem persönlichen Einsatz für uns alle tun.
Wir freuen uns auf Ihre Meinung!
Unsere Frage an Sie:
In der Klimakrise müssen Städte hitzeresilient werden.
Welche Maßnahmen werden bei Ihnen vor Ort umgesetzt?
Greenpeace Nachrichten
Barnerstraße 14d, 22765 Hamburg
Fax: 040 / 808 12 80 -99, gpn@greenpeace-nachrichten.de