Sommer 2016: Greenpeace-Aktivisten an Bord der Beluga II brachten vier mit GPS-Sendern ausgestattete Messsonden in der Nordsee aus, und zwar dort, wo der Erdölkonzern Dea Probebohrungen plant. Ein Unfall hier hätte verheerende Folgen für das empfindliche Ökosystem Wattenmeer. Anhand der Sonden lässt sich demonstrieren, wie sich ausgetretenes Öl im Meer verteilen könnte. Gut zwei Wochen lang beobachtete Greenpeace im Wattenmeer treibende Bojen über GPS-Signale.
Auf unserer Karte haben wir den Weg der Bojen nachverfolgt. Zum Glück handelt es sich nur um eine Simulation – Jörg Feddern, Biologe und Greenpeace-Experte für Öl, erklärt im Interview, welche Schlussfolgerungen sich aus der Reise der Bojen ziehen lassen.
Greenpeace: Was hat der Versuch an Erkenntnissen gebracht?
Jörg Feddern: Wir wollten mit der Aktion die Folgen simulieren, wenn im Wattenmeer ein Ölunfall geschehen wäre – und zwar von dem Tag an, an dem wir die vier Bojen ausgesetzt haben. Ein Ergebnis ist: Die Bojen haben sich nach 48 Stunden nahezu ringförmig um die Vogelschutzinseln Scharhörn und Nigehörn aufgehalten. Die Inseln gehören zur Schutzzone 1, also der höchsten Schutzstufe im Nationalpark. Wenn das Öl gewesen wäre, hätte dies die Vogelschutzinseln und den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer getroffen. Weitere Bojen sind im Strandparadies St. Peter-Ording und in Büsum angetrieben worden. Nach 14 Tagen hätte sich also dieser vermeintliche Ölteppich, zumindest aber Reste davon, bis ans Festland ausbreiten können.
Inwieweit war vorauszusehen, welchen Weg die Bojen nehmen würden?
Gar nicht. Wir wollten uns zuerst eine Prognose geben lassen, wie sich Öl bei einem Unfall im Wattenmeer verteilen würde. Die Wissenschaftler, die wir zu Rate zogen, meinten allerdings, das sei sehr, sehr schwierig und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Darum wollten wir es praktisch ausprobieren: Wir bringen Bojen in die Nähe dieser geplanten Bohrstellen und beobachten, was passiert. Festkörper verhalten sich selbstverständlich anders als eine Flüssigkeit. Doch wenn die Strömung eine Boje nach Norden zieht, dann ginge auch das Öl nach Norden, so viel ist klar.
Lange war das Wetter relativ ruhig, die Bojen bewegten sich fast nur durch Ebbe und Flut und trieben zwischen Helgoland und Scharhörn hin- und her. Dann änderte sich das Wetter wieder, und plötzlich finden wir eine der Bojen in St. Peter-Ording, eine andere in der Nähe der Vogelschutzinsel Trischen. So etwas lässt sich nicht vorhersehen. Ebenso unwägbar ist, wo Öl bei einem Unfall landen würde.
Warum wird der Versuch nach rund zwei Wochen beendet?
So ein Ölteppich würde sich mit der Zeit verändern. Das ist abhängig von der Strömung, von den Temperaturen, von der Sonneneinstrahlung. Zuerst verdunsten die leicht flüchtigen Substanzen. Irgendwann ist dieser Ölteppich wie Mus: Das sieht aus wie Schokoladenpudding. Er reißt auf, es bilden sich Klumpen, die Dichte verändert sich, und das Öl sinkt zu Boden. In kälteren Regionen, zum Beispiel in der Arktis, würde das sehr viel länger dauern als hier, wo es in den vergangenen Wochen relativ warm war. Deswegen kann man das hier vielleicht für zwei, drei Wochen verfolgen und verwendbare Schlüsse daraus ziehen.
In unserem Szenario wären Scharhörn und St. Peter direkt von einer möglichen Ölkatastrophe betroffen gewesen. Das ist eine Tendenz, kein wissenschaftlicher Nachweis, aber wir können damit der Öffentlichkeit zeigen: Wenn es zu einem Ölunfall kommt, ist der Nationalpark mit hoher Wahrscheinlichkeit dran.