Rettet die Karpaten!

Wälder

In den majestätischen Karpaten gibt es noch Urwald – es ist der größte zusammenhängende Laubwald Europas mit ungezählten Baumriesen. Das artenreiche Naturparadies schrumpft im dramatischen Tempo. Deshalb schlägt Greenpeace Alarm und fordert die Europäische Kommission auf, effektive Schutzmaßnahmen für dieses ökologische Rückgrat zu ergreifen

Der Naturschatz

Die Karpaten beherbergen einen ungeheuren Artenreichtum und erstrecken sich auf 1500 Kilometern bogenförmig über acht Länder – Rumänien, Polen, Slowakei, Ungarn, Tschechien, Serbien, Ukraine und Österreich. In dem oft schwer zugänglichen Hochgebirge ist mehr als ein Drittel aller in Zentraleuropa noch wild lebenden Großraubtiere zuhause, darunter tausende Braunbären, Wölfe und Luchse. Fast 800 Pflanzen- und Tierarten in den Karpaten gelten als bedroht, 18 weitere sind bereits ausgestorben – wie etwa der ursprüngliche Bergwisent. „Die Karpaten müssten eines der am besten geschützten Gebiete Europas sein, das schockierende Gegenteil ist der Fall“, sagt Robert Cyglicki, Programmdirektor von Greenpeace Zentral- und Osteuropa. Die teils als UNESCO-Weltnaturerbe ausgezeichneten Waldgebiete dürften rund zwei Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern.

Artenvielfalt: Bären, Luchse, Wisente, Feuer­salamander und viele andere geschützte Tierarten leben in den ost­europäischen Ur- und Naturwäldern
Artenvielfalt: Bären, Luchse, Wisente, Feuer­salamander und viele andere geschützte Tierarten leben in den ost­europäischen Ur- und Naturwäldern
Durch Auswilderung kehrten Wisente wieder in die Karpaten zurück
Durch Auswilderung kehrten Wisente wieder in die Karpaten zurück
Ursprüngliche Wälder – perfekter Lebensraum für Eulen
Ursprüngliche Wälder – perfekter Lebensraum für Eulen
Vielfach gesichtet: Bärenhöhlen
Vielfach gesichtet: Bärenhöhlen

Die Zerstörung

Die Vernichtung der Ur- und Naturwälder geht ungebremst voran. Bisher ergriffene Schutzmaßnahmen und rechtliche Regulierungsversuche scheiterten allesamt. Laut des neuesten Greenpeace-Reports, der Satellitenbilder auswertete, sind weniger als drei Prozent der Karpaten streng geschützt. Und die Sägen machen selbst vor streng geschützten Nationalparks nicht Halt. Pro Stunde, so der Report, werden mehr als vier Hektar Wald zerstört. Hochgerechnet auf die letzten beiden Jahrzehnte sind mehr als 7350 Quadratkilometer Wald dem Holzeinschlag zum Opfer gefallen, das entspricht fast der Hälfte der Fläche von Schleswig-Holstein. Wenn der systematische Kahlschlag in diesem Tempo weitergeht, könnten laut einer Greenpeace-Hochrechnung im Jahr 2050 im Vergleich zu 2020 fast 20 Prozent der Karpaten zerstört sein.

In Form eines großen Bogens erstrecken sich die Gebirgswälder der Karpaten über acht Länder hinweg
In Form eines großen Bogens erstrecken sich die Gebirgswälder der Karpaten über acht Länder hinweg
Zerstörung dokumentiert: Immer wieder stieß die Greenpeace-Recherchegruppe auf abgesägte Urwaldriesen
Zerstörung dokumentiert: Immer wieder stieß die Greenpeace-Recherchegruppe auf abgesägte Urwaldriesen
Heimat seltener Spezies: Mehr als 7000 Braunbären, 3500 Wölfe und 2300 Luchse durchstreifen die Karpatenwälder
Heimat seltener Spezies: Mehr als 7000 Braunbären, 3500 Wölfe und 2300 Luchse durchstreifen die Karpatenwälder
Protest gegen illegale Abholzung.
Protest gegen illegale Abholzung.

Die Treiber

Der Holzhandel ist ein Milliardengeschäft, getrieben von Gier, fehlender Strafverfolgung und Korruption. Millionen Kubikmeter Holz werden verantwortungslos geschlagen – befeuert von der großen Nachfrage aus dem Ausland, wo die wertvollen Bäume häufig als kurzlebige Produkte wie Billigmöbel oder Toilettenpapier enden. Komplizen und Profiteure der Waldzerstörung waren Firmen wie Swiss Krono oder der österreichische Holzkonzern HS Timber Group. Wie Greenpeace 2015 aufdeckte, hat das (vormals als Schweighofer bekannte) Unternehmen systematisch illegal geschlagenes Holz in Rumänien aufgekauft. Der Weg des Holzes aus schützenswerten Karpatenwäldern lässt sich meist nicht nachverfolgen, ein Teil davon dürfte auch in Deutschland landen.

Videos zur Recherche:

Die Gefahr

Wo Wälder verschwinden, wird die Klimakrise befeuert. Aufgrund der zunehmenden Erderwärmung steigt das Risiko für Extremwetterereignisse wie Sturzregen, mit der Folge von Erdrutschen und Überschwemmungen. Schon heute befinden sich all jene in höchster Gefahr, die sich den profitablen Geschäften der Holzdiebe in den Weg stellen: Immer wieder werden vor Ort brutale Übergriffe dokumentiert. Im Jahr 2019 erschütterten die Morde an zwei Förstern die rumänische Öffentlichkeit.

Kahlschläge durch illegale Abholzung
Kahlschläge durch illegale Abholzung
In den rumänischen Făgăraș-Bergen ertappten Greenpeace-Aktive schon vor einigen Jahren Waldarbeiter auf frischer Tat
In den rumänischen Făgăraș-Bergen ertappten Greenpeace-Aktive schon vor einigen Jahren Waldarbeiter auf frischer Tat

Die Hoffnung

Seit vielen Jahren setzt sich Greenpeace für den Schutz der Karpaten ein. Greenpeace-Aktive kartierten dazu wertvolle Waldgebiete, deckten illegale Rodungen auf, stellten sich der Zerstörung direkt in den Weg und machten Druck auf Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft. Greenpeace fordert nun die EU-Kommission auf, sofort alle Kahlschläge zu stoppen, ein zehnjähriges Moratorium für den Bau neuer Straßen durchzusetzen und in dieser Zeit einen länderübergreifenden Aktionsplan zum Schutz dieser letzten Bastion der Wildnis umzusetzen.

Grüner Wiederaufbau

Mitten in den ukrainischen Karpaten organisierte Greenpeace im August 2023 das erste dreitägige Sommercamp: Eingeladen waren 43 Menschen aus vielen Gemeinden, die vor Ort grüne Wiederaufbauprojekte umsetzen wollen. In Workshops und Seminaren erfuhren sie alles Wissenswerte über Solaranlagen und Wärmepumpen. Zusammen mit der Zivilgesellschaft will Greenpeace erneuerbare Energien an kriegsbeschädigten Kindergärten und Hospitälern installieren. Das Krankenhaus im Dorf Horenka haben Greenpeace-Aktive bereits mit erneuerbaren Energien ausgestattet.