Mit vollmundigen Ansagen hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in den ersten zwölf Monaten im Amt nicht gespart: Die Tierhaltung wolle sie verbessern, vom routinemäßigen Schwänzekupieren in der Schweinemast und von beengten Kastenständen für Sauen wegkommen sowie ein attraktives Fleischlabel einführen, das Kunden über die Haltungsbedingungen des Tieres aufklärt.
Den großen Worten der Ministerin folgten leider keine Taten, ihre Jahresbilanz fällt äußerst dürftig aus – tatsächlich hat Klöckner das Leid der Tiere in den deutschen Ställen noch verlängert: Im Bundes-tag setzte sie sich dafür ein, das zuvor bereits mit einer fünfjährigen Übergangszeit beschlossene Verbot der betäubungslosen Kastration um noch einmal zwei Jahre auszusetzen. Deshalb müssen insgesamt rund 40 Millionen weitere Ferkel diesen schmerzhaften Eingriff ertragen.
Mit Klöckners Einverständnis wird geltendes Recht gebrochen.
Noch größer ist die Zahl der Schweine, denen in der Massentierhaltung die Schwänze abgeschnitten werden. Die würden sich die intelligenten Tiere sonst gegenseitig abbeißen, weil sie die Haltung in den engen Ställen aggressiv macht. Das Ausmaß der Quälerei machten Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten im Februar mit einem Tierleidzähler anschaulich, den sie an der Fassade des Berliner Landwirtschaftsministeriums anbrachten. Er addiert die Zahl der betäubungslos kastrierten Ferkel – jede Sekunde kommt ein gequältes Tier hinzu. „Mit Klöckners Einverständnis wird geltendes Recht gebrochen,“ sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken.
Denn das Kupieren der Schwänze verstößt gegen EU-Richtlinien, die betäubungslose Kastration und die Kastenstände für Muttersauen gegen das deutsche Tierschutzgesetz. Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit im Rahmen einer Normenkontrollklage, ob die Nutztierhaltungsverordnung das grundgesetzlich festgelegte Staatsziel verletzt, Tiere zu schützen.
Das im Januar von Klöckner vorgestellte Schweinefleischlabel wird an diesem Rechtsbruch nichts ändern. Nur ein kleiner Teil des Fleisches im Handel würde von der lediglich freiwilligen Haltungskennzeichnung erfasst. Damit fällt der Vorschlag der Ministerin noch hinter die auf Druck von Greenpeace von den großen Supermarktketten eingeführte Kennzeichnung zurück. Sie stiftet mit ihrem zusätzlichen Label nur Verwirrung, statt mit einer verbindlichen, staatlichen Kennzeichnung Transparenz und Klarheit für den Verbraucher zu schaffen.
„Wenn Klöckner nicht die Ankündigungsministerin der Großen Koalition bleiben will, muss sie jetzt die offenkundigen Probleme angehen“...
…fordert van Aken. Sie muss die Tierhaltung verbessern, das bereits durch Überdüngung mit Nitrat belastete Grundwasser schützen, das Artensterben bekämpfen, CO2-Emissionen reduzieren und die Landwirtschaft klimafreundlich umgestalten. Nicht zuletzt muss sich die Ministerin in ihrem zweiten Amtsjahr endlich für eine echte Agrarreform in Brüssel einsetzen – damit Bauern, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben, gezielt gefördert und unterstützt werden.