Eine Kurstadt lebt von ihrem Image. Frische Luft, grüne Parks, Erholungsgebiete. Im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach verspricht salzhaltige Luft aus den Salinen Heilung. Was allerdings nicht in den Werbeprospekten steht: Aus der Steckdose kommt viel Kohlestrom. 43 Prozent, also vier Prozent mehr als der bundesdurchschnittliche Strommix, stammen aus dem fossilen Brennstoff.
„Für eine Kurstadt ist das peinlich“
sagt Torsten Bensing, der schon in jungen Jahren von Greenpeace begeistert war und im Jahr 2015 die Gruppe ins Leben rief. Deshalb haben Bensing & Co. die örtlichen Stadtwerke besonders im Visier, zumal diese den bald wegfallenden Atomstrom mit noch mehr Kohle ersetzen wollen. Immer wieder sammeln die Kreuznacher Umweltschützer Unterschriften für den Kohleausstieg, klären über die umwelt- und klimaschädlichen Folgen der Kohleverstromung auf und werden mehrfach bei der SPD-Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer vorstellig. „Sie ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke und müsste als Ärztin eigentlich wissen, wie gefährlich Kohleemissionen sind“, sagt Bensing. „Etwa 3100 vorzeitige Todesfälle in Deutschland gehen laut einer Greenpeace-Studie pro Jahr auf das Konto deutscher Kohlekraftwerke.“ Dem 39-Jährigen ist bewusst, dass es einen langen Atem braucht, um die Energiewende durchzusetzen, denn ein Teil der Stadtwerke gehört dem Energiekonzern RWE, der im Rheinland den zerstörerischen Braunkohletagebau betreibt. Außer Bensing zählt ein Dutzend Mitstreiter zum aktiven Kern der Gruppe, darunter Studenten, Handwerker, Angestellte, Pädagogen und Rentner. Sie wandern und feiern gerne zusammen, essen vegetarisch oder vegan, und nur die wenigsten besitzen ein Auto.
„Wir leben, wofür wir kämpfen“
sagt Bensing. Mit ihrem zweiten großen Thema hat es Greenpeace Bad Kreuznach bereits auf die Titelseite der Lokalpresse geschafft: Im Einkaufstrubel zählten die Ehrenamtlichen Plastiktüten und boten deren Trägern selbst bemalte Stofftaschen zum Tausch an. An nur einem Samstagvormittag kamen die Aktivisten auf 1300 Plastiktüten, genau so viele hängten sie an Wäscheleinen quer über dem größten Platz der Stadt auf – als Mahnung gegen die Wegwerfgesellschaft. Gerne würden die Kreuznacher auch zu den Themen Landwirtschaft, Wald und Mobilität arbeiten, derzeit haben sie dafür allerdings keine Kapazitäten – aber was nicht ist, kann ja noch werden.