In ihrem gemeinsamen Garten: Katrin Dommermuth, 78 (links), und Margot Schmidt, 79
Liebe Frau Schmidt, liebe Frau Dommermuth, Sie haben Greenpeace als Erbin in Ihrem Testament eingesetzt. Dabei geht es vor allem um zwei Häuser, die direkt nebeneinander liegen und in denen Sie seit vielen Jahren zusammenleben.
Margot Schmidt: Na ja, Häuser, das klingt so groß. Mein Vater hat immer zu mir gesagt, das sind Behelfsheime.
Katrin Dommermuth: Ach komm, so klein sind die auch nicht, das eine hat 80 Quadratmeter, das andere 90. Bei Margot im Haus steht unser Beamer. Dort können wir Fernsehen gucken oder unsere alten Filme. Bei mir im Haus ist das Wohnzimmer, Margots Arbeitszimmer und im Keller meine Holzwerkstatt. Am schönsten aber ist es im Garten. 1985 haben wir einen winzigen Baum gepflanzt, einen Ahorn.
Der ist mittlerweile so mächtig geworden, der überdeckt alles – wie ein grünes Dach. Es ist herrlich im Sommer darunter zu sitzen. Außerdem haben wir zwei alte Apfelbäume, Birken, Eichen, Kiefern. Und unten läuft Herr Meyer. Herr Meyer ist eine Schildkröte.
Wie ist denn die bei Ihnen gelandet?
Dommermuth: Herr Meyer heißt so, weil Herr Meyer, ein Bekannter von uns, die Schildkröte gefunden hat. Wahrscheinlich haben sie Urlauber aus Südeuropa mitgebracht, das war damals, vor 50 Jahren, noch möglich, und dann ist sie ausgebüxt. Auf jeden Fall brauchte Herr Meyer ein neues Zuhause. Und so ist er dann zu uns gekommen.
Schmidt: Im Garten gibt es auch Rotkehlchen, Meisen, Zaunkönige, Dompfaffe, Amseln, Spatzen, Spechte. Für die haben wir Nistkästen und Futterhäuschen. Aber man muss vorsichtig sein, wegen der Katze aus der Nachbarschaft. Manchmal fällt den Vögeln Futter runter, und dann picken sie es vom Boden auf. Wenn man dann nicht aufpasst, schlägt die Katze zu. Neulich erst hatte sie wieder einen Vogel im Maul.
Die Häuser und der Garten bedeuten Ihnen viel, das spürt man. Wann haben Sie angefangen, sich zu fragen, was damit nach Ihrem Tod passiert?
Schmidt: Genau weiß ich das nicht mehr. Aber wenn man – wie wir – keine Familie hat, stellt sich die Frage natürlich: Was mache ich mit dem Nachlass? Wem kann ich das anvertrauen? Für uns war schnell klar: Da kommt nur Greenpeace infrage.
Warum war das so klar für Sie?
Schmidt: Greenpeace war uns schon immer nah. Ein Ereignis, das mich ganz stark beeindruckt und berührt hat, war der Untergang des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“. Es wurde 1985 vom französischen Geheimdienst versenkt, beim Einsatz gegen Frankreichs Atomversuche im Mururoa-Atoll. Ein Besatzungsmitglied, der Fotograf, kam dabei ums Leben. Das war ganz fürchterlich. Und dann die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Zerstörung der Natur. Chemie galt damals als super Sache und wurde massenhaft auf die Felder gesprüht. In unseren Familien hat man das für gut befunden. Aber wir waren immer dagegen. Es gab harte Auseinandersetzungen.
Dommermuth: Ich weiß noch, als wir anfingen die Grünen zu wählen, kam mein Schwager und meinte, wenn ich gegen Atomkraft sei, müsse ich mir ein Fahrrad in den Keller stellen und meinen Strom selber erstrampeln. Das fand der witzig.
Schmidt: Ein blöder Kerl.
„Wenn man auf die 80 zugeht, weiß man irgendwann: Jetzt musst du Nägel mit Köpfen machen.“
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Dommermuth: Das war 1971. Ich war Grafikerin und Layouterin beim Friedrich-Reinecke-Verlag, der im Auftrag des Bundespresseamtes Zeitschriften für den Ostblock herausgab. Die wurden über die Goethe-Institute und die Botschaften verteilt, um den Menschen dort einen Eindruck vom Leben in Deutschland zu vermitteln. Unser Verleger war ein sehr großzügiger Mensch und hat für die Belegschaft umsonst Kurse angeboten. Ich habe einen Fotokurs belegt, und Margot hat ihn geleitet.
Schmidt: Ich hatte bei Otto Steinert in Essen studiert, einem der bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit. Steinert war der erste Fotolehrer an einer Hochschule. Sein Spezialgebiet war der Fotojournalismus. Damals entwickelte sich ganz viel Neues in der Mode- und Werbefotografie. Und politisch brachen unter Willy Brandt neue Zeiten an. Das alles war aufregend. Und wir waren mitten im Geschehen, ganz dicht am Puls der Zeit, besonders durch die Arbeit im Verlag. Ich erhielt Aufträge, die Berichte fotografisch zu ergänzen. So ergab sich zwischen mir und Katrin eine enge Zusammenarbeit und auch eine gemeinsame Zukunft.
Dommermuth: Irgendwann kriegten wir raus, dass wir beide am gleichen Tag im Juli geboren wurden. Das war ganz witzig. 1980 haben wir das erste der beiden Häuser gekauft. Den Dachboden haben wir selber ausgebaut und auch die Elektrik wollten wir selbst machen. Das hat aber nicht so gut geklappt. Wenn wir oben den Staubsauger anschlossen, hat unten immer etwas geknallt.
Schmidt: Zum Glück haben wir nicht das ganze Haus in die Luft gejagt.
Das zweite Haus haben Sie Anfang der 1990er-Jahre dazu gekauft, zunächst für Ihre Eltern, Frau Schmidt. Nach deren Tod sind Sie selbst eingezogen. Schon 2012 waren Sie zum ersten Mal bei Greenpeace, um Ihren Nachlass zu regeln. Acht Jahre später haben Sie Ihr Testament fertiggestellt und Greenpeace darin bedacht.
Wie kam es dazu?
Dommermuth: Das liegt daran, dass ich mit allen bürokratischen Dingen furchtbar schlampig bin. Das ist einfach so.
Schmidt: Vom Gefühl her war der Tod auch noch nicht so nahe. Wenn man aber auf die 80 zugeht und zwischendrin, wie ich, noch einen Schlaganfall hatte, weiß man irgendwann: Jetzt musst Du Nägel mit Köpfen machen.
Den Schlaganfall merkt man Ihnen nicht an.
Schmidt: Ich selbst merke ihn aber. Im Kopf fühlt man sich nie alt. Aber der Körper macht irgendwann nicht mehr mit. Du schnaufst ja auch immer mehr, Katrin.
Dommermuth: Ich schnaufe?
Schmidt: Ja, beim Treppensteigen.
Seit Anfang des Jahres steht Greenpeace nun wirklich als Erbin in Ihrem Testament. Hat sich dadurch etwas für Sie verändert?
Dommermuth: Mir gibt das Sicherheit. Ich brauche nicht mehr darüber nachzudenken. Das ist jetzt entschieden.
Schmidt: Eigentlich war es gar nicht so schlimm, so ein Testament mit fachlicher Beratung zu schreiben, auch mit dem Wissen, dass Greenpeace mit unserem Erbe gut umgehen wird. Hinterher fragt man sich selbst, warum man sich so viel Zeit damit gelassen hat. Auf die verheerenden Folgen der Umweltzerstörung hinzuweisen, auch mit hartnäckigen Kampagnen, ist extrem wichtig. Den mutigen Aktivistinnen und Aktivisten gehört unser Respekt. Wir wollen die Arbeit einer so einflussreichen und internationalen Non-Profit-Organisation auch nach unserem Tod unterstützen.
Gibt es noch etwas, wovor Sie Angst haben?
Dommermuth: Vor langer Krankheit.
Schmidt: Ich vor dem Altersheim.
Dommermuth: Ja, dass man als Pflegefall abhängig wird.
Und vor dem Tod selbst?
Schmidt: Wir sind alle endlich. Das wissen wir von Anfang an. Aber schon schwierig, sich das vorzustellen. Kannst Du das?
Dommermuth: Nein, ich glaube das kann niemand.
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