Was ist die Aufgabe der Zukunftskommission Landwirtschaft?
Es geht darum, ein Konzept für die Landwirtschaft zu erarbeiten, das zum einen die planetaren Grenzen beachtet und zum anderen den Bäuerinnen und Bauern eine ökonomische Perspektive bietet.
Gibt es einen gemeinsamen Nenner von Greenpeace und den Bäuerinnen und Bauern?
Wir gehen auf Landwirtinnen und Landwirte zu, suchen den Dialog und Austausch. Mit einigen haben wir eine Klimaklage initiiert. Viele geraten aufgrund der verfehlten Agrarpolitik und der dramatischen Folgen der Klimakrise in Existenznot und merken, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss.
Was sind die zentralen Punkte, die es durchzusetzen gilt?
Greenpeace hat schon 2017 mit dem „Kursbuch Agrarwende 2050“ einen Plan für eine ökologisierte Landwirtschaft in Deutschland vorgelegt. Der zentrale Baustein mit Blick auf den Klimaschutz ist ganz klar die drastische Reduzierung der Tierbestände und eine Abkehr vom Billigfleisch. Daran führt kein Weg vorbei.
Als zweiter wesentlicher Punkt ist die Handelspolitik neu auszurichten. Bisher treiben Handelsabkommen – wie der geplante EU-Mercosur-Vertrag – Zerstörung an. In Amazonien werden Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vertrieben, und Wälder brennen, weil immer noch mehr Plantagen für Futtermittel angelegt werden sollen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß im Grunde, dass die EU mit Leuten wie dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro keine Geschäfte machen darf. Da muss sie klare Kante zeigen.
Das dritte zentrale Element für uns ist die EU-Agrarreform. Gerade wird in Brüssel über die Agrarsubventionen für die kommenden Jahre verhandelt. Es kann nicht sein, dass wir hier eine Zukunftsvision für die Landwirtschaft entwickeln, während unsere Landwirtschaftsministerin in Brüssel das alte, kaputte System mit Milliarden Euro zementieren will. Diese beiden Prozesse müssen gekoppelt werden, sonst ist die Kommission von vornherein eine Farce.
Was will Greenpeace erreichen? Wie müsste eine zukunftsfähige Agrarpolitik aussehen?
Wir brauchen einen kompletten Kurswechsel: Die Landwirtschaft muss so gestaltet werden, dass sich die Klimaziele von Paris einhalten lassen. Das geht nur mit sehr viel weniger Tieren, die besser gehalten werden. Das auf Export ausgerichtete, umweltzerstörerische System Billigfleisch muss ein Ende haben. Außerdem müssen Moore komplett erhalten beziehungsweise wiedervernässt werden, Grünland darf nicht mehr in Ackerland umgewandelt werden. Pestizide sind zum großen Teil für den Verlust der Artenvielfalt und für gesundheitliche Gefahren für Menschen verantwortlich, deshalb muss das Gift raus aus dem Lebensmittelanbau. Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht das übrigens genauso: Greenpeace hat in einer repräsentativen Umfrage gefragt, um welche Themen sich die Kommission vorrangig kümmern sollte. 88 Prozent votierten für Tierschutz, gefolgt von 85 für Umwelt- und Artenschutz, 80 Prozent ist die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln besonders wichtig, für 78 Prozent sind es faire Preise für Landwirte und 77 Prozent nannten den Klimaschutz.
Vor Kurzem hat die Agrarministerkonferenz doch einstimmig für den artgerechten Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung gestimmt. Bewegt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner?
Das Tierleid in den Ställen muss sofort gestoppt werden. Schon im Januar hatte Greenpeace eine zweckgebundene Tierwohlabgabe auf Fleisch- und Milchprodukte vorgeschlagen – mit diesen Einnahmen soll der tiergerechte Umbau der Ställe finanziert werden. Ein anderes Expertengremium, die sogenannte Borchert-Kommission, hat unser Konzept übernommen. Und nun hat es auch die Agrarministerkonferenz beschlossen. Julia Klöckner versucht aber weiterhin zu verzögern, indem sie jetzt erstmal noch eine Studie in Auftrag gibt, die überprüfen soll, ob und wie sich die Tierwohlabgabe umsetzen lässt. Deshalb werden wir weiter Druck machen, damit diese Tierwohlmaßnahmen noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden.
Wann ist mit Ergebnissen der Kommission zu rechnen?
Zum Ende des Herbstes soll es einen ersten Zwischenbericht geben. Zunächst einmal müssen wir uns aber auf eine gemeinsame Faktenlage einigen. Ich hoffe sehr, dass wir keine Debatten über Fake News führen müssen. Aber natürlich gibt es auch in dieser Branche Leute, die bestimmte Tatsachen anzweifeln.
Zum Beispiel?
Etwa wenn Agrarverbände den Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen in der Öffentlichkeit herunterspielen oder die Verantwortung der Landwirtschaft am Artenschwund bestreiten und stattdessen behaupten, das Insektensterben sei nicht bewiesen und das Artensterben vor allem eine Folge der Lichtverschmutzung und der Zunahme von Schottergärten. Trotz allem hoffe ich sehr, dass diese Kommission nicht – wie so viele vor ihr – nur folgenlose Papiere produziert, sondern konkrete Vorschläge für eine radikale Agrarwende erarbeitet, die von der Politik auch gehört und umgesetzt werden.
Gutes Gelingen!
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