Landwirtschaft

Agrarreform verpatzt

Brüssel hält an der umwelt- und klimaschädlichen Subventionspolitik fest – jetzt müssen die deutschen Landwirtschaftsministerinnen und -minister die Chance für eine Agrarwende nutzen
Auch in Deutschland gibt es Felder, so weit das Auge reicht – große Landwirtschaftsbetriebe bekommen nach wie vor die meisten Fördergelder
Auch in Deutschland gibt es Felder, so weit das Auge reicht – große Landwirtschaftsbetriebe bekommen nach wie vor die meisten Fördergelder

Monatelang hatte das Team um Lasse van Aken auf diesen Moment hingearbeitet: Ende Oktober sollten in Brüssel die Weichen für eine Agrarwende gestellt werden. Zur Abstimmung stand die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die Vergabekriterien für Subventionen für die nächsten sieben Jahre festschreibt. Doch anstatt die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, ändern die EU-Agrarministerinnen und -minister, ebenso wie das Parlament, praktisch nichts am System: „Angeführt von den Konservativen hat sich die EU erneut dem Druck der Agrarlobby gebeugt und damit eine große, vielleicht die letzte Chance verpasst, die Landwirtschaft neu auszurichten, um so das massive Artensterben in Europa zu stoppen und Antworten auf die Klima-krise zu liefern“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken.

Worum geht es konkret? Um die Verteilung von rund 390 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen. 70 Prozent davon sollen auch künftig direkt an landwirtschaftliche Betriebe gehen, ohne wirksame Auflagen und ohne eine gezielte Förderung von mehr Arten- und Klimaschutz. Nach wie vor profitieren große, industrialisierte Betriebe, die viel Land bewirtschaften. Damit zementiert die EU ein umweltzerstörerisches Modell – obwohl die EU-Kommission einen „Green Deal“ anstrebt, und obwohl in der Wissenschaft Einigkeit besteht, dass eine Agrarwende dringend notwendig ist.

Die Enttäuschung bei van Aken ist groß, doch eine Hoffnung hat er noch: Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen sich auf eine nationale Umsetzung einigen. Und da haben die Grünen ein gewichtiges Wort mitzureden. Ohne eine echte Reform des Landwirtschaftssektors werden sich dessen Treibhausgasemissionen nicht senken lassen. Aber genau das muss mit Blick auf die Pariser Klimaziele geschehen. „Auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten“, sagt der Agrarexperte. „Wenigstens beim nationalen Strategieplan muss Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Blockadehaltung aufgeben und mit den Fördermitteln Landwirtinnen und Landwirte gezielt unterstützen, die Klima, Gewässer und Böden schonen und ihre Tiere artgerecht halten.“ Mit Blick auf die Landtags- und Bundestagswahlen im Jahr 2021 wendet sich der Greenpeace-Agrarexperte auch an die Bürgerinnen und Bürger: „Wir alle müssen der Politik immer wieder klar machen, dass Klima- und Artenschutz nicht verhandelbar sind.“

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Gut 90 Prozent des Frischfleisches der großen Einzelhandelsketten stammt von Tieren aus qualvoller und häufig gesetzes­widriger Haltung, gekennzeichnet mit der Haltungsform 1 und 2. Das ergab eine schriftliche Greenpeace-Abfrage bei Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe. Demnach bietet kaum eine Filiale Fleisch der besseren Haltungsform 3 an, auch die Haltungsform 4 – dazu zählen Bioprodukte – bleibt ein Nischenprodukt. Deshalb protestierten Ehrenamtliche Mitte Oktober mit stilisierten Schweinemasken und Barcode-Clips am Ohr in rund 50 Städten gegen Billigfleisch und klärten die Kundschaft der Supermärkte über die wahren Kosten der Fleischproduktion auf. „Wir fordern den Handel auf, Billigfleisch aus dem Sortiment zu nehmen und Landwirtinnen und Landwirte fair zu bezahlen. Nur dann können Tiere artgerecht gehalten werden“, sagt Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace.

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