Liebe Frau Paul-Stengel, wie ist Ihr Blick auf unseren Planeten?
Wir Menschen sind Teil der Natur. Mutter Natur erhält uns und alles Lebendige am Leben. In diesem Sinne schließe ich mich gern der Umweltorganisation Greenpeace an, denn sie steht für eine selbstverständliche, respektvolle Rückbindung an alle Lebewesen.
Wie ist Ihr Bewusstsein für die Natur gewachsen?
Die ersten Lebensjahre habe ich in München verbracht. In den ersten Schuljahren mussten viele Menschen, so auch meine Großmutter mit mir, wegen der Bombardierungen in ländliche Gebiete evakuiert werden. Für mich war das Landleben das Erlebnis! Ich erlebte förmlich eine Art Aufwachen! Jedes Pflänzchen, jeden Busch nahm ich als ein Wunder wahr – und jeder freistehende Baum, der mir im Herbst auch noch einen Apfel schenkte, wurde mir zum Freund. Noch heute hole ich mir Kraft in der Umarmung eines Baumes. Jeder Vogel, jeder Falter, jeder Wurm – und natürlich jedes größere Tier – luden mich manches Mal zu Liebkosungen ein, wenn es mir gelungen ist, mich ihnen demütig zu nähern.
Ist Ihr Blick auf die Natur unverändert?
Ja, bis heute ist es mir auf meinen kleinen Reisen, die ich oft zu Fuß in Landschaften verschiedener Zonen unternehme, unmöglich, nicht jedes mir begegnende oder sich mir zuerst angriffslustige Tier oder Tierchen zu bewundern. Im Grünen fühle ich mich wahrlich zu Hause. Und mir ist es im Übrigen auch unmöglich, aus Blumentöpfen sogenanntes Unkraut herauszurupfen, ohne ihm einen anderen Platz in der Erde bieten zu können: Es hat seinen Sinn und Zweck – wie ich und wir alle. Was unser Lebenszweck ist? Er kann nur das Geben sein – auf welche Weise auch immer!
Wie haben Sie Ihr Leben verbracht?
Da ich damals nicht Medizin studieren durfte, bin ich eben Juristin geworden. Das mir wohlgesonnene Schicksal ließ mich – nach langen Wirrungen – vor etwa 45 Jahren den Lebensbegleiter in jeder Hinsicht finden: den Maler und Zeichner Karl Stengel. Mit und von ihm lernte ich, dass es auch dem Menschen – wohl auch schon steinzeitlichen Felsenzeichnern – gegeben ist, sich für sich und damit für alle in der ihm eigenen Weise auszudrücken, wie es ihm die Seele gerade gebietet und gewährt.
„Mutter Natur erhält uns und alles Lebendige am Leben. In diesem Sinne schließe ich mich gern Greenpeace an.“
Mit ihm haben Sie also einen Großteil Ihres Lebens verbracht?
Wir durften vier Jahrzehnte teilen. Karl Stengel hatte nach schwierigen Jahren – auch als Kriegsgefangener in einem russischen Lager – gelernt, dass alle Menschen zu respektieren sind, und dass er nur einer unter allen ist. Aus Neugierde auf andere Menschen führten uns unsere Reisen nicht nur nach Mexiko, Marokko und Usbekistan, sondern auch in die Türkei und die libysche Wüste: stille, weiche Formen, wundervollerweise aus Sand und bisweilen verschiedener sanfter Farbe. Die Weite, irgendwo eine mutige Palme. Diese Natur erlaubt es dem Menschen, sich seiner selbst bewusst zu werden.
Wie kam es, dass Sie sich dazu entschlossen haben, Greenpeace in Ihrem Testament zu bedenken?
Wem, wenn nicht Greenpeace sollte man seinen Nachlass zusprechen? Es sei denn, dass einem Liebgewordene oder Bedürftige zu beschenken sind. Greenpeace setzt sich für alle Lebensgrundlagen und Lebewesen ein.
Sind Sie einem Lebewesen besonders zugetan?
Ich bin eine Schlangenbewunderin. Sollte ich im Grünen eine Schlange erschrecken, warte ich ruhig bis sie sich friedlich zurückbewegt. Vor Jahrzehnten habe ich über diese Leidenschaft ein Buch geschrieben. Es ist in Deutschland verlegt worden und trägt den Titel „Schlangen-spuren – Reptilien in der Kultur-geschichte“. Im Antiquariat ist es
noch erhältlich.
Was würden Sie gern noch erleben?
Ich würde gern noch erleben, dass wir, die eigenartige Menschheit, noch lernen zurückzukehren in ein Leben, ohne Sklaven unserer Erfindungen zu sein: Autos, Flugzeuge, Waffen jeglicher Art. Außerdem würde ich gern erleben, dass ‚alle Menschen‘ – wie Karl Stengel es sich gewünscht hatte – sich im Dialog mit seinen Zeichnungen erfreuen. Denn Kunst ist das Salz in der Alltagssuppe aller Menschen!
Grünes Testament
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