Lesermeinung

„Keine Einsicht in Sicht“

Auf die Frage, wie sich Greenpeace für die Zukunft aufstellen soll, haben Förderinnen und Förderer verschiedene Vorstellungen

ULLRICH HERZAU
BERLIN

Der geplante Weiterbau der A100 in Berlin ist mit Sicherheit ein Paradebeispiel für Infrastrukturprojekte, die aus einer anderen Epoche stammen und mehr als unzeitgemäß sind. Das Credo muss allgemein lauten: Weniger (Autos, Straßen) ist mehr.

BERND KOOP
PLÖN

In 70 Kilometer Entfernung von Plön entsteht gerade das überflüssigste Infrastrukturprojekt Deutschlands: die feste Fehmarnbeltquerung, ein Sinnbild für die Betonköpfe in der europäischen Verkehrspolitik. Sie belastet die Umwelt durch mehr Verkehr, durch den Verbrauch von Unmengen Zement, durch den Landschaftsverbrauch für die Hinterlandanbindung und durch die Zerstörung der wertvollen Unter­wasserriffe in der Ostsee.

EVA-MARIA OBST
Berlin

Vor meinem Fenster wird momentan die Vorbereitung zur Erweiterung des Kanzler:innenamtes – etwa mit Baumfällungen – vorangetrieben. Das, obwohl seit der Coronapandemie viel im Homeoffice gearbeitet wird. Außerdem soll die Anzahl der Abgeordneten auf ihre ursprüngliche Zahl von 598 schrumpfen. Ein weiteres Beispiel dafür, dass keine Einsicht aufkommt.

INGE STIENKE
PLÜDERHAUSEN

Sofortiger Stopp von Stuttgart 21, denn die Kapazität der Bahn wird durch dieses Objekt verkleinert.

JEANNETTE UND PETER MACK
KLEINOSTHEIM

Bei uns in Kleinostheim, einer Gemeinde in Bayern mit circa 8000 Einwohnern, soll eine Bullenmast entstehen. Der Hof mit aktuell 50 Kühen soll Platz für 480 Bullen bieten. Abgesehen vom Tierschutz gibt es viele andere Aspekte, die gegen ein solches Vorhaben sprechen – Lärm, Gestank, Emissionen. Eine Bürgerinitiative setzt sich zur Wehr.

MARTIN BURGER
MÜNSTER

Der dreispurige Ausbau der A1 von Münster bis zum Kamener Kreuz. Es hat hier nie ernste Stauproblematiken gegeben, außer bei Baustellen. Neue Straßen schaffen neuen Verkehr, und die Anzahl der PKW wird in den nächsten Jahren voraussichtlich ein Maximum erreichen und muss dann aus Klimaschutzgründen erheblich reduziert werden.

KATRIN LECHLER
PFORZHEIM

Die feste Fehmarnbeltquerung, insbesondere der rund 18 Kilometer lange Tunnel zwischen Puttgarden (Deutschland) und Rødby (Dänemark): Millionen Kubikmeter Beton würden dafür gebraucht; ein unverantwortlicher Verbrauch an Ressourcen und ein unverantwortlicher Ausstoß von CO₂. Der Autoverkehr im Tunnel würde den CO₂-Ausstoß ebenfalls erhöhen. Die bislang verkehrenden Fähren fassen durchschnittlich 300 PKW und haben Hybridantrieb. Zudem soll – statt die Bahnstrecke Lübeck-Puttgarden endlich zweigleisig auszubauen und zu elektrifizieren – eine komplett neue sogenannte „Hinterlandanbindung“ gebaut werden. Auch hierfür würden Unmengen Beton gebraucht. Dieses Projekt steht der vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen Nachbesserung von Klimaschutzzielen unvereinbar gegenüber!

UWE UND HELGA LIST
BERLIN

Preußenpark Berlin- Wilmersdorf. Es soll nach den Plänen des Bezirksamtes großflächige Umbauten für insgesamt elf Millionen Euro geben. Beton überall – und das in Zeiten des Klimawandels. Es ist die einzige Kaltschneise in unserer Umgebung. Wir Anwohner werden von den politisch Zuständigen auf andere Grünflächen wie Grunewald und Ruhwaldpark verwiesen. Wie arrogant und menschenverachtend ist das doch gegenüber Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, entweder aus Mangel an Zeit oder Mobilitätsangeboten, bis dorthin zu fahren.

STEPHANIE SHORON
SANKT AUGUSTIN

Wir wohnen am Rand von Sankt Augustin in Niederpleis auf dem Schmerbroich. Dort wurde vor kurzem ein riesiger Neubau fertiggestellt. Es gibt keine Dachbegrünung, keine Photovoltaik und ein großer Teil des Grundstücks wurde mit Pflastersteinen versiegelt. Der Klotz liegt nur wenige Meter vom Landschaftsschutzgebiet, mit Wohnraum für Gelbbauchunke, Dachs, Reh und anderem Getier entfernt. Die Penthouse-Wohnungen kosteten pro Einheit etwa 650.000 Euro. Etwas für wohlhabende Menschen mit SUV und Porsche, die dann auf neu geplanten Autobahnen ohne Tempolimit, daher brausen können. Bezahlbarer Wohnraum, klima- und umweltfreundlich? Fehlanzeige.

MICHAEL HAUCK
NÜRNBERG

In Nürnberg soll eine Autobahn, der sogenannte „Frankenschnellweg“, weiter kreuzungsfrei und teilweise untertunnelt ausgebaut werden. Nicht nur aus Kostengründen, sondern natürlich auch wegen der Klimakrise ein vollkommen irrsinniges Bauprojekt. In einem parteiübergreifenden Bündnis wehren wir uns jedoch vehement, und das seit Jahren!

HEIDRUN PETERS
COTTBUS

In unserem unmittelbaren Wohnumfeld wird eine sogenannte Umgehungsstraße quer durch fruchtbare Felder und vor allem durch einen größeren Wald gebaut. Damit sind Trassenkorrekturen der alten Straßenführung und der Neubau dreispuriger Straßen verbunden. Für uns der absolute Horror, da unsäglich viel Wald und alte Eichenbestände der bisherigen Straßenverläufe, teilweise Alleen, verbunden sind. Es blutet einem das Waldliebhaberherz, wenn man bedenkt, dass jeder Baum gerade in unserer trockenen Heidelandschaft mit Sandboden und zunehmender Trockenheit unendlichen Wert hat. Das Bauvorhaben ist fast 30 Jahre alt, auch unsere Bürgerinitiative konnte diesen Unsinn und Umweltfrevel nicht verhindern! Überdimensioniert, unsinnig, mittelalterlich – völlig aus der Zeit gefallen.

REGINA FESENMEYER-HONORÉ
MARCH

Zwischen Freiburg im Breisgau und Breisach ist seit über 40 Jahren geplant, die B31 West neu zu bauen. Vor einigen Jahren wurde ein erster Abschnitt bis nach Gottenheim fertiggestellt. Doch der nächste Abschnitt ist durch ein Niedermoor-Gebiet geplant, welches durch den Bau zerstört würde. Die bisherigen Proteste sind bei weitem noch nicht wirksam genug, um dieses Projekt zu stoppen.

KLAUS RAKOWSKI
OERING

Ein gigantischer Umweltfrevel ist im Zuge der Weiterführung der A20 im Bereich Bad Segeberg geplant. Die Autobahn soll in einem großen Bogen um Bad Segeberg herumgeführt werden. Dabei wird eine Brücke einen kleinen, idyllischen See mit Badestelle überqueren, weiterführend durch Moorgebiete, um dann in einem großen Bogen das Travetal zu überspannen und schließlich in einem riesigen Autobahnkreuz mit der A21 zusammengeführt. Dabei existiert  eine weit umweltverträglichere Trassenführung in einem gedeckelten Trog im Zuge der B206 durch Bad Segeberg! Letztendlich soll die A20 noch in einer 50 Meter breiten Schneise in einem Teil durch den Segeberger Forst geleitet werden. Dieses Projekt ist schon als das klimaschädlichste Straßenbauvorhaben in Deutschland betitelt worden! Ich habe den Glauben an ein Umdenken in der hiesigen Politik gänzlich verloren! Auch die Grünen haben das Projekt abgenickt.

JÜRGEN VON DER HEYD
PINNEBERG

An den Hamburger Elbbrücken entsteht zur Zeit der Elbtower: 64 Stockwerke, 245 Meter hoch, das höchste Gebäude im Norden. Vorgesehen sind Büros, ein Hotel, Gastronomie, Kultur und Fitness, von denen wir schon viel zu viel in Hamburg haben. Von der Höhe her passt das Gebäude meines Erachtens nicht nach Hamburg, sondern eher nach Frankfurt.

RITA REICHENBACH
IBURG

In Bad Iburg ist der Bau einer Umgehungsstraße (Bundesstraße B51) durch ein Fauna-Flora-Habitat (FFH-Gebiet) geplant.

SYLVA LAUTO
TÜBINGEN

Die B27 soll auf der Höhe von Ofterdingen eine Ortsumfahrung bekommen. Die Planung stammt aus den 1970er-Jahren. Inzwischen wird sie gnadenlos vorangetrieben, diesen Monat gab es 15 Probebohrungen, um den Untergrund zu testen. Die Trasse soll durch einen Hügel neben Ofterdingen führen, vierspurig und mitten durch die schönste Natur, in der es einige geschützte Vogelarten (z.B. Heidelerchen) gibt. Die bisherige Ortsdurchfahrt ist zweispurig und schon eine große Belastung für die Anwohner. Aber mit einer derartigen vierspurigen, autobahnähnlichen Trasse wird der letzte Rest Natur verhunzt. Es gab bereits Fahrraddemos gegen die Trasse, sowohl der BUND als auch NABU und der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) haben sich dagegen eingesetzt.

THOMAS FALAMEEZAR
GESCHENDORF

Das übelste Bauvorhaben in meinem Umfeld ist der Weiterbau der A20. Nachdem die A20 derzeit bei Bad Segeberg endet und jahrelang unter Angela Merkel nichts geschah, will die Bundesregierung die A20 weiterbauen. Es bedurfte also wieder einmal einer Regierungsbeteiligung der Grünen, um ein besonders umweltschädliches Großprojekt zu realisieren bzw. fortzuführen.

SABINE MARITZEN
WIESBADEN

Die Region Wiesbaden/Mainz hat mit ihrer Lage im Rheintal eine der stärksten Erwärmungen durch den Klimawandel zu erwarten. Klimaanpassungsmaßnahmen sollten für die Stadtplanung darum höchste Priorität haben. Eine gemeinsame Untersuchung (KlimPrax) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) weist nach, welche Freiflächen in Wiesbaden und Mainz als Kaltluftentstehungsgebiete zu schützen sind. Dennoch sind die Stadtobersten Wiesbadens fest entschlossen, gleich zwei neue Stadtviertel in eben diesen zu schützenden Bereichen auf dem grünen Acker im Osten und im Westen der Stadt zu schaffen. Zu den klimatischen Schäden dieser Bauvorhaben gesellt sich die Vernichtung wertvollster Ackerböden, die zur regionalen Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln beitragen und CO2 binden. Gleichzeitig sind die Gebiete Heimat vieler streng geschützter Arten wie etwa der Feldlerche oder der Äskulapnatter. Und was tut unsere Stadtregierung? Sie lässt mit Akribie und viel Geld immer neue Gutachten anfertigen, die auf den ersten Blick unter völlig unrealistischen Bedingungen die Bebauungen ermöglichen sollen. Schade um die Personalressourcen, schade um die Steuergelder – damit hätten viele alte geförderte Wohnungen saniert und als bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben können. Etwas Gutes aber hat auch dieses ignorante Verhalten: Bürger haben sich stadtübergreifend in einem „Bündnis Stadtklima“ organisiert und fordern nun von beiden Städten vernünftige Klimaanpassung!

ANNETTE KAUFHOLD
BERLIN

Berlin rühmt sich “Schwammstadt” werden zu wollen, setzt aber weiter auf absurde Bauvorhaben wie die Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofgeländes Köpenick mit Wohnungen für 4000 Menschen – in einem Bezirk, der durch die stetige Zuwanderung jetzt schon verkehrstechnisch vor dem Kollaps steht: Luftverschmutzung, Dauerstaus, überfüllte S-Bahnen. Eine Eidechsenpopulation, alte Pappeln, Fledermäuse, Trockenrasen, all das muss weichen. Das nenne ich unzeitgemäße Stadtplanung und Greenwashing. Von den versprochenen Naturräumen wird nicht mehr viel übrigbleiben. Sehr enttäuschend!

KATJA BREHM
DOHNA

Unser Bürgermeister von Dohna (Sächsische Schweiz) plant gemeinsam mit zwei Nachbarstädten einen Industriepark. Nicht nur, dass dafür landwirtschaftliche Flächen versiegelt werden, der Park soll in einer Frischluftschneise liegen und verschandelt die Landschaft. Es gibt keinen Bahnanschluss, keine ausgebaute Straßeninfrastruktur, ausschließlich einen Autobahnzubringer. Millionen an Geldern sind schon in Planungen geflossen, gegen die Initiative der Bewohner aller drei Städte. Doch die Aktionen der Bürgerinitiative – einschließlich eines Bürgerbegehrens – wurden ignoriert. Selbst der Austritt aus dem Zweckverband, für welchen die Stadträte in Dohna stimmten, wurde vom Bürgermeister blockiert. Mich macht es wütend zu sehen, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nicht durchdringen. Schulden werden hier nicht nur auf unsere Kosten, sondern auch die unserer Kinder und vor allem der Natur gemacht. Bisher gibt es keine Möglichkeit, die Verantwortlichen zu belangen und das Vorhaben zu stoppen.

JANINA BLANKE
OLDENBURG

Der Drittligist „VfB Oldenburg“ soll ein neues Fußballstadion erhalten, obwohl bereits eines vorhanden ist, das den strengen DFB-Vorgaben für den Betrieb der Dritten Liga nicht genügt. Zwar soll es „so klimagerecht wie möglich“ gebaut werden, letztlich wird die Klimagerechtigkeit aber wohl zugunsten geringerer Kosten leiden. Selbst wenn, handelt es sich um Ressourcenverschwendung. Zur absoluten Grundversorgung einer Stadt zählt ein Fußballstadion wahrlich nicht. Hinzu kommt, dass das Stadion aus öffentlichen Geldern finanziert wird, das an anderer Stelle fehlen wird, beispielsweise für Klimaschutz und den Ausbau des ÖPNV.

SEBASTIAN HADANK
HAMBURG

Der sechsspurige Ausbau der A23 – unbedingt verhinderungswürdig!

HEIKE MICHALKE
NEUBURG

In der Kleinstadt Neuburg an der Donau (25 Kilometer von Ingolstadt entfernt) haben wir momentan ein Planfeststellungsverfahren, um eine Osttangente mit Brücke über ein zusammenhängendes Auwaldgebiet (FFH-Schutzgebiet) durchzusetzen. Diese Osttangente soll den Verkehr in unserer Innenstadt entlasten, doch dieser Effekt wird so gering sein, dass die Zerstörung eines wichtigen Naherholungsgebiets und Wasserspeichers, Bauaufwand, Versiegelung von Ackerfläche und hohe Kosten in einer schon jetzt verschuldeten Stadt nicht gerechtfertigt ist. Sämtliche Vorschläge, um die Innenstadt zu entlasten (Ausbau von Fahrradwegen, bessere öffentliche Verkehrsanbindungen nach Ingolstadt, Radbrücke) wurden vom Stadtrat verzögert, nicht umgesetzt, blockiert. Es gibt ein Aktionsbündnis „Auwald statt Asphalt“, das Aufklärungsarbeit leistet, Waldführungen organisiert und Unterschriften für eine Petition gesammelt hat. Ich bin entsetzt, wie ein zusammenhängender Wald, in dem ich oft spazieren gehe, zerstört wird für ein Bauprojekt, welches vollkommen aus der Zeit gefallen wirkt und kaum Entlastung bringt.

KRISTINA JURASCHKO
INGOLSTADT

Die zahlreichen teils überdimensionierten Einfamilienhäuser mit Steingarten. In Zeiten von Energie-, Klimakrise und Wohnraummangel sind diese nicht mehr zeitgemäß. Verbaut werden hierbei oft zahlreiche künstliche Baustoffe. Wenn das Haus in ein paar Jahrzenten nicht mehr gefällt und abgerissen wird, dann entsteht sehr viel Müll, der teuer entsorgt werden muss. Die Alternative zum Steingarten ist ein naturnaher Garten, in dem Insekten und andere Tiere Lebensraum finden. Außerdem sind große Glasflächen an Gebäudefassaden kritisch zu sehen. Vögel glauben, dass sie durch Glas hindurch fliegen können. Sie fliegen aber dagegen und überleben den Aufprall oft nicht. Große Glasflächen können auch Vogelfreundlich angebracht werden, etwa durch Markierungen oder durchbrochene Spiegelungen. Eine zukünftige Bauweise im Einklang mit der Natur ist sehr wünschenswert und notwendig.

Wir freuen uns auf Ihre Meinung!

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