Recht

Alles was Recht ist

Greenpeace schreibt zusammen mit dem Hamburger Umweltanwalt Michael Günther seit vier Jahrzehnten Rechtsgeschichte

Wann immer es juristisch brenzlig wird, ist Michael Günther mit seiner Kanzlei zur Stelle. Der Umweltanwalt steht Greenpeace schon seit der ersten Aktion gegen die Verklappung giftiger Dünnsäure in der Nordsee vor fast 40 Jahren zur Seite. Die Erfolgsbilanz des inzwischen 76-jährigen Juristen kann sich sehen lassen: 98 Prozent der Verfahren wurden eingestellt oder endeten mit Freispruch. Die hohe Quote spricht dafür, dass die meisten Richter Günthers  Einschätzung teilen, wonach der Einsatz für den Schutz und den Erhalt der Lebensgrundlagen schwerer wiegt als kleine Rechtsbrüche wie eine verzeihliche Besitzstörung oder vereinzelter Hausfriedensbruch.

So eindeutig war die Umweltrechtsprechung lange nicht: Noch in den 80er Jahren wurden von den Gerichten eigennützige Interessen etwa von Industrie und Landwirtschaft dem altruistischen Umweltschutzinteressen vorgezogen. Doch inzwischen hat sich das Umweltrecht dynamisch entwickelt. Die Kooperationspartner Günther & Greenpeace haben diesen Prozess maßgeblich vorangetrieben – indem Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten unverantwortliches Verhalten angeprangert, alternative Lösungen angeboten und – etwa bei illegalen Abfallexporten – auch Umweltverbrecher überführt haben.

„Lebensinteressen dürfen im Wege der Selbsthilfe und Notwehr verteidigt werden,“

…sagt Günther. Die internationale Rechtsgeschichte bestätigt das: Nach Aufsehen erregenden und anhaltenden Protesten haben einzelne Staaten oder auch die Völkerrechtsgemeinschaft tatsächlich ihre Haltung korrigiert und neue Gesetze verabschiedet. Wegweisende Beispiele sind das weltweite FCKW-Verbot zum Schutz der Ozonschicht, der Antarktis-Schutzvertrag, das Versenkungsverbot für Ölplattformen, das Verbot des giftigen Schiffsanstriches TBT oder – um ein Beispiel aus jüngerer Zeit zu nennen – die Aufhebung des Versammlungsverbots im Hambacher Forst.

Der Rechtsweg war von Anfang an ein entscheidendes Kampagnenmittel für die Umweltorganisation, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Als Beklagte, vor allem aber als Klägerin – bestes Beispiel ist die derzeit laufende Klimaklage gegen die Bundesregierung wegen ihrer verfehlten Klimapolitik. Auch in der Vergangenheit hat sich die internationale Organisation mit mächtigen Gegnern wie Shell oder Nestlé angelegt, die über große Rechtsabteilungen verfügen. „Greenpeace ist kompetent, unabhängig, weltweit vertreten und genießt großen Rückhalt in der Bevölkerung. Das kann sonst keine andere Organisation leisten“, ist Günther überzeugt.

Nicht gewaltfreie Aktionen zivilen Ungehorsams  sind aus seiner Sicht gravierend, sondern nachhaltige Umweltbelastungen wie die erhebliche Verschärfung der Klimakrise und die Zerstörung von Lebensgrundlagen wie das Artensterben und die Vermüllung der Ozeane. Diese nennt der Anwalt „Verbrechen gegen die gesamte Menschheit, wie es bereits Sklaverei und Menschenhandel waren.“ Deshalb plädiert er dafür, diese mindestens genau so entschlossen zu verfolgen, am besten vor einem internationalen Gerichtshof, der nicht nur für die Verletzung von Menschenrechten, sondern auch für den Schutz von Natur und Umwelt zuständig sein sollte.

Staaten existierten nicht um ihrer selbst willen, führt Günther in einem kleinen juristischen Exkurs aus, sondern müssten Lebensgrundlagen und Naturgüter auf ihren Territorien schützen, schließlich habe die ganze Menschheit ein Interesse an dem Erhalt der Artenvielfalt, der Wälder und der Ozeane sowie einem verträglichen Klima, sagt der Anwalt und schlussfolgert: „Verletzten die Staaten ihre Schutzpflicht, sollte die Völkerrechtsgemeinschaft ihnen die Legitimität entziehen.“ Mehr noch: Amtsträger könnten und müssten für ihr Versagen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

In einer demokratischen Gesellschaft misst Günther Organisationen wie Greenpeace eine fundamentale Bedeutung zu. Durch Protestaktionen, Aufklärungskampagnen und aufgedeckten Skandalen fungiere die Organisation als eine Art Frühwarnsystem für eine offene liberale Gesellschaft, in der kleine Widerstände vermeiden, dass der große Widerstand notwendig wird. Seine Aufgabe sieht er darin, die Aktionsräume für Greenpeace zu erhalten und etwa Angriffe auf die Gemeinnützigkeit der Organisation abzuwehren. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit seiner Kanzlei mit den Umweltschützern bringt er in einem Satz auf den Punkt:

„Greenpeace schützt die Umwelt und wir versuchen, Greenpeacer zu schützen.“