Warum fällt es vielen Menschen so schwer, ihren Fleischkonsum zu reduzieren?
Wir sind es gewohnt, Fleisch zu essen. Das ist eine lang gepflegte Kultur. Fleisch ist verführerisch billig und überall verfügbar. Das Problem ist nur, dass unser Fleischkonsum nicht zukunftsfähig ist: Die Tiere leiden, und die Produktion verschlingt Unmengen Ressourcen, schädigt unsere Gesundheit, das Klima und die Böden. Deshalb ist Essen heute keine Privatsache mehr – Essen ist politisch. Ich als Ernährungsethiker wünschte mir, dass die Menschen den Weg zur fleischlosen oder zumindest fleischarmen Ernährung aus freien Stücken gehen. Andernfalls könnte eine Fleischsteuer unvermeidlich werden. Zum Glück bietet die Pflanzenwelt viele unentdeckte Zutaten für eine kreative Küche.
Welche konkreten Maßnahmen halten Sie denn für notwendig, damit Verbraucher ihr Verhalten ändern?
Für die Ernährungswende müssen viele Schalter umgelegt werden: Wir brauchen Aufklärungskampagnen, die eine fleischlose oder fleischarme Kost attraktiv machen. Bislang essen viele Menschen viel zu viel Fleisch. Wir müssen uns nur mal klar machen, wie viel Geld wir für ernährungsbedingte Krankheiten ausgeben. Diese Zahlen sind oft schlagender als jedes moralische Argument. Ganz ohne gesetzliche Regelungen wird es aber wohl nicht gehen: Die Politik muss zum Beispiel dafür sorgen, dass Fleisch endlich teurer wird und den wahren Preis kostet, der also Umwelt- und Gesundheitsschäden mit einschließt. Gleichzeitig brauchen wir eine Agrarpolitik, die sich an Tierwohl und Ökologie ausrichtet. Nicht zuletzt muss der Staat in Bildung investieren. Eine zeitgemäße Ernährungsbildung in Schulen wäre ein echter Fortschritt für eine nachhaltige Esskultur. Es wird schon viel für die Energiewende getan, jetzt ist die Ernährungswende an der Reihe. Das Thema muss überall präsent sein – ähnlich wie beim Rauchverbot, das ja erstaunlich gut geklappt hat.
Ist die Vision einer fleischarmen Gesellschaft realistisch?
In den letzten 20 Jahren haben sich ja schon viele Menschen auf den Weg gemacht. Es gibt längst eine globale Good-Food-Bewegung, deshalb bin ich ganz optimistisch. Wenn alle ein bisschen weniger Fleisch essen würden, wäre das ein einfacher, kleiner Schritt für jeden Einzelnen, aber ein großer für die Menschheit.