Kohle!“, ruft Johannes. „Stoppen!“, brüllen die anderen im Chor. „Kohle!“ – „Stoppen!“, schallt es laut durch die Bonner Adenauerallee. Es ist nasskalt, die Kinder und Jugendlichen hüpfen im Takt der Demo-Rufe und halten bunte Banner hoch. „Ihr seid die, die etwas machen können, also macht was!“, steht zum Beispiel auf einem. Beim Abzweig zum UN-Tagungsgelände entdecken die Kinder die Eisbärin Paula, in deren Kostüm zwei Greenpeace-Jugendliche stecken. Die jungen Klimaschützer umringen den Riesen aus der Arktis, streicheln sein kuscheliges Fell und skandieren: „Zwei Grad mag Paula nicht!“ Sogar Polizisten zücken ihre Smartphones, Passanten bleiben stehen und sind begeistert.
Nur wenige Hundert Meter entfernt trifft sich die Welt: 196 Staaten beraten in Bonn, wie sie den Klimawandel in den Griff bekommen. Viele Delegierte durchschreiten beeindruckt den riesigen Regenbogen, der aus Botschaften von Kindern aus aller Welt zusammengesetzt ist. „Save the Planet“ – „Pflanzt Bäume“ – „Mehr Windkraft“ – „Climate Justice“ steht auf den bunten Stoffen. Wer nicht stehen bleibt und liest, bekommt die Botschaft der jungen Aktivisten zu hören: „Schützt die Welt und nicht das Geld!“
„Wir tun schon ganz viel“, sagt die 13-jährige Sophia. „Wir fahren Rad, essen kein Fleisch, vermeiden Plastik, trennen Müll, sparen Strom und Wasser.“ Das reiche aber nicht, um die Welt zu retten. Deshalb seien sie heute hier: „Für die großen Veränderungen wie die Energie- oder Verkehrswende müssen die Politiker sorgen – und zwar schnell“, sagt sie. Sophia gehört zum Greenpeace-Greenteam „Sunrise Kids“ aus Lübeck, das sich seit vier Jahren für die Umwelt engagiert. Johannes hat die Gruppe damals mitgegründet. Seit einem Jahr lebt er vegan – und er will hoch hinaus: Er kann sich gut vorstellen, dass Menschen irgendwann mal auf dem Mars leben werden. Deshalb wolle er Kernphysik studieren und alternative Raketenantriebssysteme entwickeln, sagt der 13-Jährige selbstbewusst.
„Für die großen Veränderungen wie die Energie- oder Verkehrswende müssen die Politiker sorgen – und zwar schnell.“
„Anfangs haben wir nur ein bisschen gebastelt, jetzt stellen sich die Kids ohne Scheu vors Mikro und sagen ihre Meinung“, erzählt ihr Begleiter Niklas Köhler.
Nach der Demo treffen einige Sunrise Kids sogar die UN-Klimaschutz-Chefin höchstpersönlich. Patricia Espinosa biegt um die Ecke, strahlt die Kinder an, und die Aufregung ist verflogen. Sophia und zwei ihrer jungen Mitstreiter übergeben ihr ein „Regelbuch“, so benannt nach dem Dokument für die Umsetzung des Paris-Abkommens, das die Konferenzteilnehmer gerade erarbeiten. Zwischen zwei Deckeln aus massivem Holz haben Kinder aus allen Kontinenten aufgemalt und -geschrieben, was sie bereits fürs Klima tun und was aus ihrer Sicht für ihre Zukunft nötig ist. „Ihr verschafft den Kindern aus aller Welt eine Stimme“, bedankt sich Espinosa und versichert den Lübecker Kindern, dass ihr Engagement etwas bewirken werde. Jennifer Morgan, die Chefin von Greenpeace International, bestärkt die Kinder ebenfalls: „Ihr seid den Erwachsenen ein gutes Vorbild. Bitte macht weiter!“ Für die jungen Greenpeace-Klimaschützer ist das selbstverständlich.
Als „Kids for Earth“ nehmen sie ihre Zukunft selbst in die Hand und engagieren sich bei solchen Treffen – zum Beispiel in der Turnhalle der Europaschule im nahen Bornheim. Seit zwei Tagen malen hier rund 30 Kinder Plakate, singen Lieder, spielen und lernen sich dabei kennen. Zu ihnen stoßen auf Einladung von Greenpeace drei junge Erwachsene aus Ländern, die die Erderwärmung nicht verschuldet haben, aber schon heute stark von den Folgen betroffen sind.
Wie Starsha, die Anfang 20 ist und auf den Fidschis lebt, dem Gastgeberland des diesjährigen Klimagipfels. Die Aktivistin erzählt, dass in ihrer Heimat der Meeresspiegel steigt und das Wasser für die Inselbewohner immer mehr vom Freund zum Feind wird. Nach dem kurzen Vortrag geht Johannes auf die junge Frau zu und fragt, ob sie sich „vernetzen“ wollen. Beide zücken ihr Smartphone und tippen Namen und Nummern ein. Auch andere knüpfen Kontakte, unterschreiben auf T-Shirts, machen Selfies – jede dieser persönlichen Verbindungen stärkt ihren Einsatz für Klimagerechtigkeit.
Im Bus nach Hause läuft im Radio ein Bericht über die Eröffnung der Weltklimakonferenz und die starken Worte des Präsidenten der Republik Fidschi. „Die Politiker sollen unser Klima-Regelbuch genau lesen und danach handeln“, wünscht sich Johannes. „Wir sind schließlich die Zukunft.“ Die Kinder sind aufgekratzt und müde zugleich. „Kohle!“ schreit vorne im Bus plötzlich einer. Alle lachen und grölen: „Stoppen!“
Klima im Unterricht
„Klimaschutz fängt in der Schule an“, sagt Thomas Hohn, Bildungsexperte bei Greenpeace. Deshalb hat Greenpeace Unterrichtsmaterialien zusammengestellt, die erklären, warum Gletscher die Fieberthermometer der Erde sind, was „Klimagerechtigkeit“ bedeutet, wie sich Feinstaub messen oder eine Fahrraddisco organisieren lässt. In den Bildungsmaterialien finden sich viele Anregungen und Tipps für Unterrichtseinheiten und Projekte, deren Ziel es ist, einen debattenorientierten Unterricht zu fördern und Schülerinnen und Schüler zur aktiven Beteiligung und Mitgestaltung der Welt anzuregen.