Detox

Die Wäsche ist sauber

Von Puma über Lidl bis Zara: Mit der „Detox My Fashion“-Kampagne setzt Greenpeace seit acht Jahren die weltweite Textilindustrie unter Druck – und zeigte jetzt mit eigenen Textilien, wie saubere Produktion geht

Sie kamen im Schutz der Dunkelheit, mit Nachtsichtgeräten und Glasflaschen. Das Ziel der Aktivisten: die mannshohen Abflussrohre der chinesischen Textilfabriken „Youngor Textile Holdings Co., Ltd“ und „Well Dyeing Factory“. Sie füllten die Glasflaschen mit der stinkenden Plörre, die sich von hier ungeklärt in die Zuflüsse von Jangtse und Pearl River ergoss. Dann schickte Greenpeace die Proben in europäische Labore. Deren Analysen bestätigten den Verdacht: Das Abwasser enthielt einen Cocktail langlebiger und gefährlicher Chemikalien. Krebserregend, hormonell wirksam, schädlich für Mensch und Tier. Viele davon waren in Europa längst verboten.

Mit Atemmaske gegen die Dämpfe: Ein chinesischer Textilarbeiter steht in den Abwässern einer Jeansfabrk (oben).
Ungeklärt in Flüsse und Seen: Die indigoblauen Abwässer einer Jeanswäscherei im chinesischen Xintang, Guangdong Provinz

Glitzernd-Schmutzige Mode

Kurz darauf, im Juli 2011, veröffentlichte Greenpeace dann die Ergebnisse und zeigte: Die Textilindustrie ist einer der schlimmsten Wasserverschmutzer weltweit. Greenpeace nannte auch die Auftraggeber dieser Textilfabriken: Sportmarken wie Adidas, Nike und Puma, Modemarken wie H&M, Lacoste und Calvin Klein. Das war der Startschuss für „Detox My Fashion“, eine der erfolgreichsten Greenpeace-Kampagnen. „Detox hat die gesamte Textilbranche revolutioniert. Wir haben eine der dreckigsten Industrien der Welt auf Entgiftungskurs gebracht“, erklärt Dr. Kirsten Brodde – die Greenpeace-Textilexpertin hat die Kampagne jahrelang geleitet.

Während im Sommer 2011 Aktivisten von Südamerika bis Ostasien die Schaufenster der großen Modeketten mit dem Slogan „Detox – Entgiften!“ beklebten, verhandelte Greenpeace bereits hinter den Kulissen mit den globalen Sportartikelmarken. Mit Erfolg: Nur zwei Wochen später verpflichtete sich Puma als erste Firma, die eigene Lieferkette aufzuräumen und bis 2020 auf die gefährlichsten Chemikalien zu verzichten. Innerhalb weniger Wochen unterzeichneten auch die weltweit führenden Sportartikelhersteller Nike und Adidas. Und kurz darauf sagte auch H&M zu, die Textilproduktion von giftiger Chemie zu säubern. „Als hätten die Firmen nur auf diesen Anstoß gewartet“, meint Brodde.

Wo alles begann: Ein Greenpeace-Kampaigner nimmt eine Abwasserprobe am Youngor Textile Complex in China (links).

Um die Verschmutzung durch die Outdoorbranche nachzuweisen, nimmt Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen eine Schneeprobe an den Macuner Seen in der Schweiz. Dort und an weiteren entlegenen Orten in Asien, Europa und Südamerika weist Greenpeace gefährliche poly- und perfluorierte Chemikalien (PFC) nach

Doch damit nicht genug: Mit einer weiteren Studie im August 2011 belegte Greenpeace: Das Gift gelangt auch nach Europa – und wir tragen es direkt auf der Haut. Denn die besonders gefährliche Chemikalie Nonylphenolethoxylat (NPE) fand sich in zwei Dritteln der Markenkleidungsstücke, die Greenpeace ins Labor geschickt hatte. Entsprechend besorgt waren nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Textilkonzerne. Die direkte Folge: Bis Ende des Jahres sagten auch C&A und der chinesische Sportartikelhersteller Li-Ning zu, bis 2020 sauber zu produzieren.

„Detox My Fashion rollte wie eine Welle durch die Industrie“

Dr. Kirsten Brodde

In den folgenden Jahren setzten kreative Aktionen rund um den Globus die Marken immer weiter unter Druck. Parallel dazu veröffentlichte Greenpeace ständig neue Berichte zu vergifteten Flüssen und Seen in China, Mexiko und Indien und zu kontaminierter Kleidung. Das zeigte Wirkung: Innerhalb von eineinhalb Jahren schlossen sich Zara und Mango, Esprit und Levi’s, Benetton und G-Star der Kampagne an.

Beflügelt von den Erfolgen, nahm sich Greenpeace eine weitere Branche vor: die – vermeintlich – grüne Outdoorindustrie. Denn die setzte die besonders langlebigen und gesundheitsschädlichen poly- und perfluorierten Chemikalien (PFC) ein, damit Kleidung und Schuhe Wasser und Schmutz abweisen. Greenpeace wies PFC in abgelegenen Bergseen nach, in der Leber von Eisbären und der Raumluft von Outdoorgeschäften. Und in der Allwetterkleidung selber. Trotzdem: „Die Outdoorfirmen waren eine besonders harte Nuss, weil die PFC für ihre Allwetterkleidung angeblich unverzichtbar waren“, analysiert Manfred Santen, Chemieexperte von Greenpeace. Ein jahrelanger Kampf folgte, bis schließlich die Firmen Rotauf und Paramo den Anfang machten und eine PFC-freie Produktion bis 2020 zusagten. Auch die deutsche Outdoorfirma Vaude versprach umzustellen. „Und Jack Wolfskin verzichtet inzwischen weitgehend auf PFC, auch wenn sie nie eine Detox-Verpflichtung veröffentlicht haben“, berichtet Santen.

Das hatte Signalwirkung bis in die Chemieindustrie: Unter anderem der Chemieriese Dupont entwickelte daraufhin eine PFC-freie Alternative. Und sogar die amerikanische Firma Gore mit ihrer weltberühmten Membran rief plötzlich bei Manfred Santen an. Es folgten langwierige, aber erfolgreiche Gespräche: Bei den Beschichtungen versprach Gore, bis 2023 aus allen gefährlichen PFC auszusteigen. Auch wenn das nicht für die Gore-Tex Membran gilt: „Das war ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagt Santen.

discounter top, designer flop

Auch in anderen Branchen schaffte Detox den Sprung zu den Zulieferern – in der italienischen Provinz Prato verpflichtete sich erstmals
eine ganze Textilregion zur Entgiftung. Damit stieg auch der Druck auf Pratos wichtigste Kunden: die Luxusmarken. Doch nur Burberry und Valentino reagierten. Also schickte Greenpeace Kinderkleidung von Louis Vuitton, Versace und Dolce&Gabbana ins Labor – und fand, auch hier gefährliche Chemie. „Teure Kleidung ist nicht automatisch sauberer“, versichert Santen. Trotzdem weigern sich viele Luxusmarken bis heute, auf giftige Substanzen zu verzichten.

Leiterin der weltweiten Detox-Kampagne: Kirsten Brodde
Leiterin der weltweiten Detox-Kampagne: Kirsten Brodde

„Dank der Detox-kampagne ist eine saubere Textilproduktion heute möglich – ob auf der schwäbischen Alb oder in Shenzhen in China.“

Dr. Kirsten Brodde

Blieben noch die Discounter. Mit ihrer wöchentlich wechselnden Aktionsware gehören Aldi, Lidl und Tchibo inzwischen zu den größten deutschen Textilhändlern, dicht gefolgt von Penny. Auch deren Kleidung und Schuhe waren belastet, wie Greenpeace-Tests ergaben. „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu verhandeln, da verkündete Tchibo schon über die Presse, das Detox-Programm zu unterschreiben“, sagt Brodde. Bald darauf schlossen sich auch Lidl, Rewe mit Penny, Aldi, Kaufland und die britische Supermarktkette Tesco der Entgiftungsbewegung an.

Bis heute hat die Detox-Kampagne 80 globale Marken und Lieferanten auf Entgiftungskurs gebracht – das entspricht etwa 15 Prozent der weltweiten Textilindustrie. Und dass diese Firmen ihren Worten Taten folgen lassen, zeigen regelmäßige Überprüfungen: Chemikalie für Chemikalie verbannen die meisten Firmen aus der Produktion, ersetzen sie – wie von Detox gefordert – mit ungefährlichen Alternativen. Sie analysieren und veröffentlichen Abwasserdaten, machen ihre Lieferketten und Produktionsbedingungen transparent und schulen Verantwortliche. „Dank der Detox-Kampagne ist eine saubere Textilindustrie auf industriellem Niveau möglich – auch in Ländern wie China“, so Brodde. Die Bewegung wächst: Immer mehr Firmen schwenken auf den Kurs ein. Eine echte Branchenveränderung, die sich nicht zurückdrehen lässt.

Greenpeace zeigt: DETOX GEHT

Um der Industrie zu zeigen, wie eine Detox-konforme, nachhaltige Textilproduktion auf höchstem Niveau geht, hat Greenpeace jetzt die Detox-Kriterien um einen industriellen Beschaffungsstandard erweitert – für die saubersten Textilien der Welt. Der Standard schreibt vor, die gesamte Lieferkette vom Biobaumwollfeld über die Fabrik bis zur Verpackung zu kontrollieren. Jede Produktionsstufe muss nach eigens dafür entwickelten, höchsten Standards getestet und zertifiziert werden.

„Um zu beweisen, dass sich das auch umsetzen lässt, hat Greenpeace vom Schweizer Biopionier Remei Textilien nach diesem Standard produzieren lassen“, sagt Brodde. So entstanden zunächst zwei verschiedene T-Shirts. Remei lieferte die Biobaumwolle aus Tansania, die litauische Textilfabrik Utenos – die erste Fabrik weltweit, die nach Detox zertifiziert ist – färbte, nähte und bedruckte die Kleidung. Oeko-Tex prüfte und zertifizierte den gesamten Produktionsprozess und die Produkte. Für Brodde ist diese Kleidung „ein anfassbarer Kampagnenerfolg.“

Abwassercheck bestätigt: Die litauische Textilfabrik Utenos erfüllt als einzige Firma die Detox-Kriterien für saubere Produktion (links). Tragbare Kampagnenmotive: Eine Utenos-Arbeiterin näht eins der neuen Greenpeace-Shirts, die nach Detox-Standard gefertigt sind

Schadstofffreie Detox-Textilien von Greenpeace sind ab Ende des Jahres erhältlich. Mehr Infos zu den Greenpeace-Textilien finden Sie dann unter: