Protest wirkt!

Nordsee

Greenpeace will neue Erdgasförderungen im Wattenmeer verhindern – mit investigativen Recherchen, Rechtsgutachten, Tauchgängen und Petitionen

Eigentlich wollte das niederländische Öl- und Gasunternehmen One-Dyas schon im Mai mit dem Aufbau einer Bohrplattform in unmittelbarer Nähe zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer beginnen, doch daraus wird vorerst nichts. Greenpeace-Aktive und andere Umweltorganisationen machen dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung:

16./17. April

Ein von Greenpeace beauftragtes Forschungstauchteam entdeckt nahe der Bohrstelle zwischen den Nordseeinseln Borkum und Schiermonnikoog drei artenreiche Steinriffe, die Taschenkrebsen, Weichkorallen, vielen Fischarten und stark bedrohten Hummern Lebensraum bieten. Die marine Artenvielfalt würde leiden, auch weil die Verlegung von Kabel und Pipelines enormen Lärm verursacht, der vor allem Schweinswale beeinträchtigt. Die Umweltschützenden befürchten, dass die gesamte Unterwasserflora und -fauna der Region dauerhaft geschädigt werden könnte.

25. April

Mit einer einstweiligen Verfügung stoppt ein Gericht in Den Haag die geplante Gasbohrung vor Borkum vorerst. Diesen Zwischenerfolg erreicht ein Klagebündnis um die Deutsche Umwelthilfe und die Stadt Borkum. Das niederländische Unternehmen One-Dyas muss nun warten, bis die anhängigen Klagen gegen die Genehmigung entschieden sind. Das kann erfahrungsgemäß mehrere Monate dauern.

28. April

Mit einer Anfrage nach dem niedersächsischen Umweltinformationsgesetz deckt Greenpeace auf, dass die niedersächsische Politik ein Gutachten über ein Steinriff vor Borkum zwei Jahre lang geheim gehalten hat. „Dieses Gutachten ist höchst relevant, um die möglichen Umweltschäden durch die Gasbohrungen zu bewerten“, sagt Anike Peters, Energieexpertin von Greenpeace. „Es ist ein Skandal, dass Niedersachsens Umweltministerium derart zentrale Informationen zurückgehalten hat.“

Wir können uns keine neuen Gasprojekte mehr leisten.

Franziska Saalmann Greenpeace-Meeresexpertin
Protest gegen fossile Energien auf der Insel: Am Strand von Borkum formten rund 400 Menschen mit ihren Körpern eine Sonne
Protest gegen fossile Energien auf der Insel: Am Strand von Borkum formten rund 400 Menschen mit ihren Körpern eine Sonne

3. Mai

Greenpeace veröffentlicht ein Rechtsgutachten, das die geplanten Gasbohrungen vor Borkum als rechtswidrig einstuft. Das Vorhaben, so das Gutachten, sei nicht mit Klima- und Meeresschutz vereinbar, mehrere Vogel- und Naturschutzgebiete wären unverhältnismäßigen Gefahren ausgesetzt. Die Bohrungen dürfen deshalb nicht genehmigt werden.

Am selben Tag hängen 38 Greenpeace-Aktive Banner mit der Aufschrift „No New Gas“ an die Fenster des niedersächsischen Landtags in Hannover. Sie fordern Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf, das klimaschädliche Gasbohrprojekt zu stoppen – zumal das zu fördernde Gas nur ein Prozent des deutschen Bedarfs decken würde. Zudem könnte es frühestens ab Ende 2024 zur Verfügung stehen.

Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne) veröffentlicht noch am gleichen Tag das zurückgehaltene Gutachten. Zudem versichert er, es werde nun in das Genehmigungsverfahren einbezogen. „Protest wirkt!“, freut sich Anike Peters. Die Energieexpertin verspricht im Namen von Greenpeace solange dran zu bleiben, bis die Bohrpläne vor Borkum für immer in den Behördenschubladen verschwunden sind.

Von Protestbannern eingehüllt: Die niedersächsische Landesregierung wird über das Gasvorhaben entscheiden
Von Protestbannern eingehüllt: Die niedersächsische Landesregierung wird über das Gasvorhaben entscheiden

Weltweiter Gasboom

Darüber hinaus prangert Greenpeace auch den – wie es mehrere Studien zur Gasversorgung belegen – überdimensionierten Ausbau der Flüssiggasinfrastruktur (LNG) unter anderem auf Rügen und in Wilhelmshaven an. Die geplanten Terminals dürfen laut LNG-Beschleunigungsgesetz bis Ende 2043 in Betrieb sein. Dieser neue Gasboom ist mit dem selbst gesteckten Klimaziel Deutschlands, bis 2045 klimaneutral zu sein, nicht vereinbar.

Auch auf anderen Kontinenten sind neue Gasprojekte mit deutscher Beteiligung geplant: Ein Vorhaben vor der Küste Senegals bedroht das weltgrößte Kaltwasserkorallenriff und wird von der Ampelkoalition unterstützt. In Australien sind die deutschen Energieunternehmen RWE und der Staatskonzern Uniper unter den Hauptabnehmenden des australischen Woodside-Projektes, das in der Nähe von Walschutzgebieten neue Gasquellen erschließen will. „Weltweit muss Schluss sein mit der Erschließung von Gasquellen, die unsere fossile Abhängigkeit immer weiter zementieren würde“, sagt Peters. „Sichere und saubere Energie gibt es nur aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen.“

Während der Protestaktion: Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters im Gespräch mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD)
Während der Protestaktion: Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters im Gespräch mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD)