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Meere

Eine globale Schiffs­expedition deckt die Bedrohung der Ozeane auf und drängt auf ein internationales UN-Abkommen zum Schutz der Hohen See

Die Route des Greenpeace-Schiffes „Esperanza“ verläuft vom Nord- zum Südpol. Die Tour zeigt die Faszination sowie die zerstörerische Ausbeutung der weitgehend ungeschützten Ozeane

Historische Chance

Nur ein Prozent der Meere sind geschützt, 30 Prozent müssen es unbedingt werden, um die Meere vor Klimakollaps, Tiefseebergbau und Überfischung zu bewahren. Mit der Pol-zu-Pol-Tour macht Greenpeace Druck auf die internationale Staatengemeinschaft, die im Frühjahr 2020 einen globalen Rettungsplan für die Hohe See beschließen soll.

ARKTIS

Die Klimakrise lässt das arktische Eis schmelzen, und für Eisbären wird die Nahrung knapp. Dennoch wollen Öl- und Fischereiunternehmen die Arktis noch stärker ausbeuten.

LOST CITY

Tiefseebergbau bedroht Ökosysteme, wo alles Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Die sensible Welt am Meeresgrund könnte – bevor sie erforscht ist ­­– zerstört werden.

SARGASSOSEE

Plastikmüll verschmutzt den Lebensraum der Babyschildkröten. Der Nachwuchs etwa der bedrohten Karettschildkröte verwechselt Plastikteile mit Nahrung und geht daran jämmerlich zugrunde.

AMAZONAS RIFF

Das weitgehend unbekannte Ökosystem vor der Küste Brasiliens ist noch immer durch Ölbohrungen akut gefährdet. Die Folgen einer Ölkatastrophe wären für diesen Lebensraum katastrophal.

SÜDWEST ATLANTIK

Auch im Südwestatlantik findet illegale Fischerei statt. Dieses Meeresgebiet wird leergefischt, Kontrollen versagen. Die Ozeane sind nicht ausreichend vor Ausbeutung geschützt.

ANTARKTIS

In der Antarktis schmilzt das Eis derzeit extrem schnell. Seit 2009 verliert der antarktische Kontinent jährlich rund 250 Milliarden Tonnen Eis.

MOUNT VEMA

Tiefseeberge wie der Mount Vema sind Oasen des Le­bens, mitten im Ozean. Doch die Meerestiere sind durch Überfischung und Geister­netze bedroht.

„Bislang werden die Ozeane in Wildwest-Manier geplündert, verschmutzt und zerstört, dabei sind sie so wichtig für das Leben auf der Erde“, sagt Greenpeace-Meeresexperte Dr. Christian Bussau. Gespannt verfolgt er aus dem Hamburger Büro die größte Expedition in der Geschichte von Greenpeace: die Pol-zu-Pol-Tour. Mit dieser Schiffsexpedition will Greenpeace die faszinierende und zugleich bedrohte Unterwasserwelt sichtbar und ihre Bedeutung für Mensch und Natur klar machen.

Der in der Polarregion beheimatete Eisfuchs zählt zu den Tierarten, die von der globalen Erwärmung am stärksten betroffen sind
Der in der Polarregion beheimatete Eisfuchs zählt zu den Tierarten, die von der globalen Erwärmung am stärksten betroffen sind

Denn die Meere produzieren rund die Hälfte unseres Sauerstoffbedarfs und speichern enorme Mengen CO2. Zusammen mit Wissenschaftlern hat Greenpeace ausgerechnet, dass 30 Prozent der Hohen See unter Schutz gestellt werden müssen:

„Wir brauchen dringend ein globales
Netz an Schutzgebieten“

sagt Bussau. Deshalb machte das Greenpeace-Aktionsschiff „Esperanza“ Mitte April in London die Leinen los. Ende desselben Monats erreichte die Crew die Eiskante in der Arktis: Für die Jahreszeit war es dort acht Grad zu warm. Die Proben und Tests der Klimawissenschaftler an Bord bestätigten, dass die Region im hohen Norden bereits stark vom Klimawandel betroffen ist.

An der Eiskante untersuchten Eisphysiker, Ozeanographen und Meeresbiologen das Vorkommen von Plankton, einem wichtigen Schlüsselelement in der arktischen Nahrungskette, und kamen zu dem Schluss, dass die Erwärmung der Arktis durch die Klimakrise dramatische Folgen für das dortige Nahrungsangebot haben könnte. Denn in kälteren Oberflächengewässern des arktischen Ozeans fanden die Forscher erheblich größere Planktonmengen als in wärmeren Gebieten. „Wenn sich die Arktis weiter erwärmt, könnte das Phytoplankton schwinden, und ohne Plankton reißt die Nahrungskette, die bis zu Walen und Eisbären reicht“, erklärt Bussau.

„Wenn sich die Arktis weiter erwärmt, könnte das Phytoplankton schwinden, und ohne Plankton reißt die Nahrungskette, die bis zu Walen und Eisbären reicht“

Dr. Christian Bussau.
Die Greenpeace-Schiffe „Arctic Sunrise“ (vorne) und „Esperanza“ erreichen die arktische Eiskante, die erste Etappe der fast einjährigen Pol-zu-Pol-Tour
Die Greenpeace-Schiffe „Arctic Sunrise“ (vorne) und „Esperanza“ erreichen die arktische Eiskante, die erste Etappe der fast einjährigen Pol-zu-Pol-Tour

Auf dem Weg zur zweiten Station, dem Mittelatlantischen Rücken, legte die Crew einen kurzen Stopp auf Island ein, denn die Insel zählt zu den hartnäckigsten Gegnern eines Hochsee-Abkommens. Doch noch während die Greenpeace-Besatzung versuchte, den Politikern und der Bevölkerung nahezubringen, wie dringlich die Meere geschützt werden müssen, wurden sie von einer positiven Nachricht überrascht: Island wird in dieser Saison keine Wale jagen. Auf der „Esperanza“ brach Jubel aus, ein erster Etappensieg für die Meere.

Als das Schiff diverse Ölfördergebiete in der Nordsee passierte, erfuhr die Crew, dass Shell das mit der Brent-Spar-Kampagne erkämpfte Versenkungsverbot für Plattformen möglicherweise unterlaufen will. Mehrere hundert Offshore-Anlagen müssen in naher Zukunft abgewrackt und an Land entsorgt werden. Doch nach 25 Jahren plant Shell offensichtlich, nun doch große Teile der außer Betrieb genommenen Plattformen mitsamt der giftigen Schadstoffe im Meer zu belassen. Greenpeace setzt sich auf politischer Ebene dafür ein, dass das Versenkungsverbot für Plattformen im Nordostatlantik eingehalten wird.

Auf Erkundungsfahrt mit Wissenschaftlern: Die Forscher nehmen Proben und untersuchen die Artenvielfalt in der Region Spitzbergen
Auf Erkundungsfahrt mit Wissenschaftlern: Die Forscher nehmen Proben und untersuchen die Artenvielfalt in der Region Spitzbergen

Ölkonzerne können es kaum erwarten, ins arktische Eismeer vorzudringen. Schon 2100 rechnen Forscher damit, dass es in der gesamten Arktis kein Sommereis mehr geben könnte. Umso wichtiger ist es, in der Arktis ein Zeichen zu setzen: Deshalb kletterten Aktivisten von Greenpeace Norwegen Ende April vor Hammerfest auf eine Ölplattform, die in der arktischen Barentssee eingesetzt werden soll. Und auch nahe Schottland protestierten Aktivisten: Mehrere Tage gelang es ihnen, den Einsatz einer Plattform zu verhindern, die vor die Küste Nordschottlands geschleppt werden sollte.

Zurück zur „Esperanza“: Die Crew erlaubte sich noch einen kleinen Abstecher: Etwa 200 Semeilen vor den Azoren protestierten Greenpeacer gegen einen Trawler, der Haie an Bord hievte. Laut eines neuen Greenpeace-Reports sterben beim Schwertfischfang vier mal mehr Haie als Schwertfische. Dem Beifang werden bei lebendigem Leib die Flossen abgeschnitten – denn noch immer ist der Handel mit Haifischflossen sehr lukrativ.