Fukushima

Wahnsinn in Tüten

Greenpeace-Messungen belegen: In der Sperrzone um das ehemalige Atomkraftwerk ist die Strahlengefahr noch immer hoch

Unweit der Stelle, wo vor sieben Jahren infolge eines Tsunamis Atomreaktoren explodierten und rund 160.000 Menschen vor gefährlicher Strahlung fliehen mussten, sollen bei den Olympischen Sommerspielen 2020 Baseball- und Softballspiele stattfinden. „Das macht mich fassungslos“, sagt Heinz Smital, Greenpeace-Atomexperte. Japan wolle die Welt glauben machen, es hätte die Auswirkungen der Atomkatastrophe von Fukushima im Griff, sagt er. Aber die Gefahr ist nicht gebannt, von Normalität keine Spur.

In fast 150.000 solchen Lagern in der Region rund um das havarierte Atomkraftwerk stapeln sich Säcke mit verstrahlter Erde. Niemand weiß, wohin mit dem Atommüll.
In fast 150.000 solchen Lagern in der Region rund um das havarierte Atomkraftwerk stapeln sich Säcke mit verstrahlter Erde. Niemand weiß, wohin mit dem Atommüll.
Seit dem Super-GAU in Fukushima misst Greenpeace jedes Jahr vor Ort und nimmt Proben.
Seit dem Super-GAU in Fukushima misst Greenpeace jedes Jahr vor Ort und nimmt Proben.

„Niemand weiß, wohin mit dem Atommüll“

Geigerzähler, Schutzanzug und Atemschutzmaske gehören zum Standard in Iitate, dieser verwaisten Kleinstadt, 40 Kilometer entfernt vom havarierten Meiler. Die Leere sei beklemmend, erzählt er, genauso wie der Anblick der Berge von schwarzen Plastiksäcken, gefüllt mit radioaktiv verseuchter Erde, die rund um Häuser abgetragen wird. Neun Millionen Kubikmeter sind es bisher, 30 Millionen sollen es noch werden. „Niemand weiß, wohin mit dem Atommüll“, sagt Smital, der seit der Katastrophe im Jahr 2011 zusammen mit internationalen Kollegen ein- bis zweimal jährlich vor Ort die Strahlenbelastung misst. Seine jüngsten Messungen belegen: Die Strahlung in belasteten Ortschaften ist so hoch, dass der Jahresgrenzwert der Weltgesundheitsorganisation schon in 16 Tagen erreicht wird.

Trotzdem drängt die japanische Regierung die Menschen zur Rückkehr in die Evakuierungsgebiete – denn Staat und Reaktorbetreiber Tepco müssen, sobald ein Gebiet als sicher erklärt wird, keine Entschädigungen mehr zahlen. Ein paar hundert Einwohner haben diesen Schritt bisher gewagt. „Das ist eigentlich unverantwortlich“, sagt Smital. Häuser und Grundstücke ließen sich zwar dekontaminieren, Wälder und Flächen ringsherum aber nicht.

„Die Opfer werden ein zweites Mal zum Opfer.“

Immerhin gibt es Mitte März einen Hoffnungsschimmer: Japan akzeptiert die Kernforderungen der UN-Menschenrechtskommission. Diese stellte fest, dass die aggressive Rückkehrpolitik, die die Bevölkerung mit finanziellem Druck zwingt, in die noch immer hoch belastete Heimat zurückzukehren, die Menschenrechte verletzt. Smital freut sich zwar über diesen Erfolg, bleibt aber skeptisch und versichert: „Wir werden das vor Ort nachprüfen.“