Weil die Politik trotz der vielen lautstarken Proteste offenbar noch immer nicht begriffen hat, dass schnell wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, macht Greenpeace weiter Druck auf allen Ebenen: Zum Beispiel bei RWE, einem der weltweit größten Klimasünder. Zwei Tage lang harrten Greenpeace-Aktivisten vor der Essener Zentrale des Energiekonzerns aus, denn obwohl die Empfehlungen der Kohlekommision vorliegen, wonach Wald und Dörfer erhalten bleiben können, laufen die Braunkohlebagger von RWE weiterhin auf Hochtouren – inzwischen haben sie sich bis auf unter 100 Meter an den Hambacher Wald herangefressen. Noch immer werden Dörfer zerstört, Kirchen abgerissen, Menschen vertrieben. Dabei wollen laut einer repräsentativen Greenpeace-Umfrage 83 Prozent der Deutschen, dass der Wald erhalten bleibt, und 72 Prozent sind dagegen, dass Dörfer den Baggern weichen müssen.
Greenpeace fordert ein Moratorium, bis die Entscheidungen über die konkreten Abschaltungen der Kohlekraftwerke getroffen sind und hat zusammen mit Client-Earth im Mai einen detaillierten Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz vorgelegt: Noch in diesem Jahr müssen im Rheinischen Revier die ersten dreckigen Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Bis allerspätestens 2022 müssen etwa ein Drittel aller Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen, und bis 2030 muss Schluss sein mit der Kohleverstromung. Damit sind Greenpeace und ClientEarth in Vorleistung gegangen, denn eigentlich ist die Erarbeitung eines solchen Kohleausstiegsgesetzes Aufgabe von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Doch dieser verzögert die gesetzliche Umsetzung der Empfehlungen der Kohlekommission und damit den Einstieg in den Kohleausstieg. Wichtig ist auch, dass die Auszahlung der 40 Milliarden Euro für die Kohleregionen, die im sogenannten Strukturstärkungsgesetz vorgesehen sind, an konkrete Abschalttermine für Kohlekraftwerke geknüpft ist.
Im Kreuzfeuer der Kritik stehen auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und die Autoindustrie: Zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) am 14. September machen viele Umweltorganisationen mobil und organisieren in Frankfurt am Main großflächigen Protest gegen die IAA, die unter dem Titel „Driving Tomorrow“ immer noch tonnenschwere, über-motorisierte Stadtgeländewagen (SUVs) präsentiert.
Seit Jahrzehnten stagnieren die CO2-Emissionen im Verkehrssektor, obwohl sie deutlich sinken müssten – in den nächsten zehn Jahren um mindestens 40 Prozent. Greenpeace-Aktivisten haben im Mai eine CO2-Schuldenuhr an Scheuers Ministerium installiert, im ihn daran zu erinnern, dass er mit Vollgas in die Klimakrise fährt. Das Gegenkonzept heißt Verkehrswende: Einhergehend mit einem zügigen Ausbau des Radverkehrs sowie des Bus- und Bahnangebots muss der Verkehr in Deutschland ab 2035 abgasfrei funktionieren. Und ab 2025 dürfen Neuwagen mit Verbrennungsmotor nicht mehr verkauft werden.
Im Trio der Klimaschutz-Bremser fehlt nur noch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Sie sträubt sich beharrlich gegen strengere Düngeregeln und mehr Tierwohl. Nur wenn die Anzahl der Stalltiere drastisch sinkt, lassen sich die Emissionen der Landwirtschaft senken und – als Folge des geringeren Futtermittelbedarfs – Regen-wälder schützen, etwa im Amazonas.
Die Einzige, die den Klimaschutz offensiv voranbringen will, ist Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie legte ein Klimaschutzgesetz vor, das alle Sektoren zu verbindlichen CO2-Reduktionen verpflichtet. Bislang beißt sie leider auf Granit – vor Jahresende, so heißt es aus Berlin inzwischen, sei mit einem Klimaschutzgesetz nicht zu rechnen. Wie wirksam es dann tatsächlich noch sein wird, ist ungewiss.
Doch die Klimabewegung ist stark wie nie und kämpft unverdrossen weiter, damit die Klimaziele von Paris noch eingehalten werden können
und nachfolgende Generationen einen lebenswerten Planeten vorfinden werden.