Ab Anfang 2020 soll für Palmöl kein Regenwald mehr gerodet werden. Die indonesische Greenpeace-Waldkampaignerin Annisa Rahmawati setzt auf die Macht der Verbraucher, um Wälder und Orang-Utans zu retten
Jedes zweite Produkt, das wir im Supermarkt kaufen, enthält Palmöl. Außerdem landet es als Sprit im Tank. Es ist billig, gut zu verarbeiten, aber problematisch. Warum?
Das Problem ist nicht das Palmöl selbst, sondern die Art und Weise, wie es angebaut wird. Gierige Konzerne wollen immer mehr Profite machen und vergrößern ihre Anbauflächen. Den Preis für den Raubbau zahlen wir, die Menschen und die Natur in Indonesien.
Was unternimmt die Regierung denn, um diese katastrophale Entwicklung einzudämmen?
Die Politik tut viel zu wenig. Zum Beispiel hat der Präsident uns versprochen, die Anbaugebiete zu kartografieren, damit wir einen Überblick über bereits zerstörte Regenwaldgebiete haben. Bis heute gibt es eine solche Karte nicht. Um die Entwaldungsrate klein zu halten, wertet die Regierung sogar industrielle Plantagen als Wald. Das ist unglaublich. Denn nichts an diesem Wald ist mehr Wildnis. Außerdem setzt sie immer wieder ganz bewusst falsche Zahlen in die Welt und irritiert die Öffentlichkeit mit unwahren Behauptungen. Da muss man von Betrug sprechen. Beispielsweise machen die Politiker lokale Gemeinden für die Feuer verantwortlich. Das ist völliger Nonsens.
Gibt es denn eine umweltverträglichere Alternative?
Jede andere Monokultur würde genau die gleichen Probleme mit sich bringen. Es geht uns deshalb nicht darum, Palmöl zu verbannen, sondern die Erzeugung grundlegend zu verändern. Ziel muss es zum Beispiel sein, lokale Anbauer zu stützen und zu beraten, damit sie auch ohne den Einsatz von Agrargiften ihre Produktivität erhöhen können. In den Industrieländern muss die Lebensmittelverschwendung reduziert werden. Und die Regierung in
Jakarta muss die Expansion der Anbaufläche sofort stoppen.
Greenpeace kämpft seit mehr als zehn Jahren gegen die Palmölindustrie. Mit Erfolg?
Ja, wir haben bereits wichtige Ergebnisse erzielt. Wir hätten es nicht für möglich gehalten, dass sich große Firmen freiwillig zum Waldschutz verpflichten. Seit dem Versprechen, ab 2020 nicht mehr zu roden, haben wir sie ständig im Visier, kontrollieren, was sie tun, reden mit der Bevölkerung, unternehmen Kontrollflüge. Es ist nur leider so, dass die Konzerne bisher nichts geändert haben – dabei sind es bis zum Stichtag, dem 1. Januar 2020, nur noch rund 420 Tage. Sie haben offensichtlich nicht vor, ihre Zusagen einzuhalten. Deshalb schlagen wir Alarm: Wir müssen den Regenwald retten, jetzt oder nie! 2020 wird das entscheidende Jahr – für das Klima, für die Wälder und den Artenschutz.
Wie will Greenpeace das konkret erreichen?
Von den Firmen fordern wir Transparenz. Unilever, Nestlé, Ferrero oder Mars müssen offen-legen, woher sie ihr Palmöl beziehen, damit Verbraucher entscheiden können, welche Waren sie in ihren Einkaufskorb legen. Wir bauen auf die Macht der Verbraucher, sie sind unsere wichtigsten Unterstützer. Mit ihrer Hilfe können wir den Konzernen beikommen. Jeder Konsument muss sich darüber im Klaren sein, dass viele Produkte, die Palmöl enthalten, das Sterben bedrohter Menschenaffen, die Vertreibung von kleinen Bauern, illegale Regenwaldzerstörung, Waldbrände und immense Klimaschäden bewirken. Schon in den vergangenen Jahren gab es massive Unterstützung aus aller Welt für unsere Aktionen und Kampagnen. Hunderttausende haben Petitionen unterschrieben. Jetzt brauchen wir eine globale Bewegung, um unsere Lebensgrundlagen zu retten. Es liegt an uns allen, noch haben wir es in der Hand.
Wie ist die Lage derzeit?
Inzwischen brennt es jedes Jahr. Besonders betroffen ist West-Kalimantan auf der Insel
Borneo. Immer wieder ist ein Team von uns vor Ort, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Im Jahr 2015 war es mit den Bränden ganz schlimm. Die Menschen konnten kaum mehr atmen. Alles war in Rauchschwaden gehüllt. Die Feuer sind keine Naturkatastrophe, sondern von Menschen gelegt, denn das ist die billigste Art, Land zu gewinnen. Die Dürre und El Niño haben die Brände aber zusätzlich angefacht.
Ist dein Job gefährlich? Werden Aktivisten bedroht?
Wir werden immer mal wieder bedroht, das gehört für uns Kampaigner dazu. Kürzlich fuhr ich mit der Rainbow Warrior nach Papua. Dort kamen auf einmal 60 wütende Leute auf uns zu. Sie warfen uns vor, ihre Entwicklungschancen zunichte zu machen. Bisher hatte ich Glück, aber ja, das kann auch mal ernst werden. Meine Mutter hat immer gesagt, dass man nie die Hoffnung verlieren darf. Das werde ich auch nicht. Alles, was wir tun, wird etwas
bewirken, davon bin ich fest überzeugt.